Unternehmen
Nach 1989 feierten Kommentatoren den finalen Triumph des kapitalistischen Marktes über seinen letzten Widersacher, den sozialistischen Plan. Aber die krisenhaften Wirtschaftsumbauten in der ehemaligen DDR und in Ost(mittel)europa standen noch bevor. Was meinten Ökonomen, Wirtschaftspolitiker oder Manager dieser Umbauprozesse eigentlich, wenn sie von Märkten sprachen? Der Beitrag richtet den Blick auf Vorstellungen im Kontext der 1990 gegründeten Treuhandanstalt und fokussiert Akteure, die in der Rückschau oft als marktgläubige »Exekutoren« des westlichen »Neoliberalismus« auf einem östlichen »Experimentierfeld« kritisiert werden. Deren Marktkonzeptionen fielen keineswegs einheitlich aus; sie konnten einen idealen Endzustand oder aber einen radikalen Prozess meinen. Auch der Glaube an die Gestaltbarkeit von Marktmechanismen erwies sich als wechselhaft. Eine Analyse zeitgenössischer Experteninterviews, die 1992/93 im Auftrag der Treuhand geführt wurden und jetzt wiederentdeckt werden konnten, offenbart schließlich ein breites Spektrum an individuellen Marktdeutungen aus der Alltagspraxis der ostdeutschen Transformation.
»Free to Choose«. Die Popularisierung des Neoliberalismus in Milton Friedmans Fernsehserie (1980/90)
(2015)
In einem engen, stickigen Kellerraum irgendwo in Rochester, New York, klingeln die Telefone, es ist viel zu tun. Von überallher laufen Aufträge ein, denn die Firma P.H. Brennan Hand Delivery, die hier ihren Sitz hat, prosperiert. Pat Brennan, eine kleine, schmächtige Frau, die entschlossen in die Kamera blickt, ist die Gründerin der kleinen Firma. Die Kamera zeigt, wie sie als Zustellerin, mit Briefen beladen, zu Fuß durch Rochester läuft. Hinter ihr droht das große, einschüchternde Gebäude des United States Post Office. Ganz ähnliche Hochhäuser waren in dieser Serie schon früher zu sehen: In ihrer schieren Massivität visualisieren sie sehr genau das, was Milton Friedman, der die Geschichte aus dem Off kommentiert, big government nennt. Big government nämlich zerstört wenig später Pat Brennans prosperierendes Kleinunternehmen. In den USA des Jahres 1978 ist die Post ein gesetzlich gesichertes Staatsmonopol. Brennan Hand Delivery muss deshalb schließen, nach einem auch gerichtlich ausgetragenen Kampf gegen die Regierung. Die letzte Kameraeinstellung zeigt den Kellerraum, der die Firma beherbergte, still, leer und verlassen. Diesen Kampf gegen Goliath hat David verloren.