Verfassung
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Fest steht auch: Unterforscht ist die internationale Flüchtlingspolitik mitnichten. Auffällig ist aber, dass die Bedeutung des Protokolls und seiner Entstehungsgeschichte eher konstatiert als wirklich nachgewiesen wird. Die 1950er und 1970er Jahre sind Stiefkinder der Flüchtlingsforschung. Dabei fand die Globalisierung der internationalen Flüchtlingshilfe gerade in diesen beiden Dekaden statt. Ihre bis heute gültigen Grundzüge formten sich erst in diesem Zeitraum aus.
Es ist daher verkürzt, sich auf die Flüchtlingskonvention zu fokussieren und spätere Entwicklungen zu vernachlässigen: Diesem Verständnis nach leiteten nach dem Holocaust menschenrechtliche und universelle Motive die Schaffung der heutigen Strukturen. Es lohnt sich, dieses Bild zu korrigieren und die Komplexität des Entwicklungsprozesses näher zu beleuchten. Bis in die 1940er Jahre behandelte die internationale Gemeinschaft die Flüchtlingsfrage als eine Art Ausnahmezustand, als transitorisches Phänomen, überwiegend in Europa, und nicht als dauerhaftes globales Problem. Die Entwicklungen, an deren Ende eine dem Anspruch nach universelle Flüchtlingspolitik stand und die legalistisch im New York Protocol 1967 kulminierte, waren weitaus vielschichtiger.
As Hannah Arendt anticipated in 1951, refugees have become a major issue in contemporary societies. Writing just three years after the Universal Declaration of Human Rights had been adopted in 1948, Arendt argued that refugees exposed a fundamental tension between universal human rights and the sovereignty of nation-states. For Arendt, human rights were an abstraction; the only real rights were those possessed by citizens.
Dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs findet die Transformationszeit um 1989 wieder verstärkte Aufmerksamkeit in der zeithistorischen Forschung. Zugleich sind transnationale und globalgeschichtliche Forschungsperspektiven nach wie vor ein Schwerpunkt innovativer Forschungsarbeiten. Umso erstaunlicher ist, dass beide Aspekte noch kaum miteinander verbunden sind – ein echtes „1989 transnational“ ist in der deutschen Zeitgeschichtsforschung (und auch darüber hinaus) bisher nur selten zu finden.
Stattdessen bewegen sich Forschungsarbeiten zum Umbruch 1989 zumeist im lokalen, regionalen oder nationalen (manchmal im deutsch-deutschen) Rahmen. Wenn einmal grenzüberschreitend geforscht wird, dann handelt es sich nicht selten um Forschungsarbeiten zu spezifischen Grenzregionen. Solche Arbeiten sind dann allerdings nicht selten in den Kulturwissenschaften und nicht in der Zeitgeschichte verortet.
Mit dieser disziplinären Trägheit vergibt die Zeitgeschichtsforschung eine große Chance: Denn wo, wenn nicht im Protestgefüge von 1989, das aufgrund seiner grenzübergreifenden Dynamik von Timothy Garton Ash als annus mirabilis bezeichnet worden ist, wird deutlich, dass ein Denken in national isolierten Kategorien häufig an den zentralen Fragen der modernen Geschichtsschreibung vorbeiführt?
Seit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 beobachten wir einen Prozess der ständigen Erweiterung und Ausdifferenzierung völkerrechtlicher Menschenrechtsnormen. Die Herausbildung des Rechts auf Wahrheit – mitunter auch als Recht auf Wissen firmierend – ist Teil dieses Prozesses. Es handelt sich um ein Konzept, dem vor allem in den neunziger und zweitausender Jahren Aufmerksamkeit zuteil wurde. Es vereint zwei unterschiedliche Ansprüche in sich. Zum einen zielt es darauf ab, dem individuell-psychologischen Bedürfnis von Opfern staatlicher Menschenrechtsverletzungen oder deren Angehörigen einen juridischen Schutz zu gewähren, um ihnen zu ermöglichen, über die Hintergründe des erfahrenen Leids aufgeklärt zu werden und Informationen über das Schicksal jener zu erhalten, die seit der Verhaftung durch staatliche Sicherheitsbehörden verschwunden sind. Gleichzeitig formuliert es auch einen gesamtgesellschaftlichen Anspruch auf eine wie auch immer geartete historische Wahrheit über staatliche Gewaltverbrechen.
Die Zeit der weitreichenden antikommunistischen Repression in den USA zwischen 1947 und 1954, verkürzt als McCarthyism bekannt, ist bis heute ein bedeutsamer Bezugspunkt - sowohl in politischen Debatten wie innerhalb der Historiographie. Während ein erster Abschnitt des Beitrags einen Überblick zum McCarthyism gibt und dabei den Stellenwert von Denunziationen diskutiert, widmet sich ein zweiter Teil am Beispiel des Theater- und Filmregisseurs Elia Kazan konkret der Frage, wie Denunziationen in zeitgenössischen Debatten als liberale, staatsbürgerliche Akte gedeutet und gerechtfertigt wurden. Unter Bezugnahme auf Michel Foucaults Theorie der Gouvernementalität wird erkennbar, dass die zur patriotischen Tat umgedeutete Denunziation für den antikommunistischen Liberalismus nach 1945 die Funktion einer maßgeblichen Selbsttechnologie besaß.
UNRRA (1943-1947) was an international organization that coordinated relief for victims of the Second World War in areas liberated from Axis control. Existing historical scholarship has put an unbalanced emphasis on global post-war reconstruction: European experiences have attracted much attention whereas scholars pay little attention to non-Western cases, with a few exceptions such as Japan. For long, not only in Western media, but also in Chinese historical scholarship, China has been either regarded as a passive recipient of international humanitarianism, or has simply been overlooked. But looking at UNRRA in China provides us with an opportunity to investigate how non-Western actors and motivations could shape a transnational humanitarian project, in a way different from European cases.
Das westdeutsche Abschieberegime entstand im Kontext der Problematisierung von People of Color, die seit 1950 in die Bundesrepublik einreisten, um dort ein Studium oder eine Ausbildung aufzunehmen. Die junge Republik lud Menschen aus sich dekolonisierenden Ländern zunächst ein, um sich von der Rassenideologie des National- sozialismus zu distanzieren und sich gegenüber dem Sozialismus zu profilieren. Dabei bestand jedoch weiterhin die im Kern völkische Prämisse, dass People of Color nicht langfristig bleiben sollten. Die Herstellung ihrer Rückführbarkeit manifestierte sich in der Rechts-, Verwaltungs- und Betreuungspraxis lokaler Behörden und Wohlfahrtsverbände, wodurch diese Prämisse in das Ausländergesetz von 1965 einging. Das Gesetz machte insbesondere »außereuropäische« Migrant*innen abschiebbar, denen es pauschal kriminelle Täuschungsabsichten und extremistische Politisierung unterstellte. Es verrechtlichte zudem eine pseudomoralische Rückkehrpflicht von People of Color unter Verweis auf ihren Entwicklungsauftrag in den Herkunftsländern und auf tradierte Geschlechterrollen. Diese Normen waren in der Bundesrepublik permanent abrufbar und wurden sukzessive auf andere Migrant*innen angewandt.
West Germany’s deportation regime emerged in the 1950s and 1960s, when people of color migrated there to graduate from West German universities and receive voca- tional training. Distancing itself from the Nazis’ racial ideology and styling itself a liberal alternative to socialism, the young Federal Republic initially invited people from decolonizing countries. However, the substantially völkisch idea persisted that people of color could never belong to the Federal Republic and should leave the country sooner rather than later. The ensuing construction of their returnability manifested itself in juridical, administrative and aid practices shaped by local authorities and welfare associations, and found its way into the Aliens Act of 1965. This law made ›non-Euro- pean‹ migrants, in particular, deportable by declaring them collectively fraudulent, politically radicalized, and therefore criminal. At the same time, the Aliens Act evoked a pseudo-moral duty of return to develop their countries of origin, and referred to traditional gender roles to deport female partners. These norms remained anchored throughout in West Germany’s history and were successively applied to other migrants.
Anhand einer Anwaltsgruppe um Kurt Rosenfeld und Theodor Liebknecht wird gezeigt, wie sozialistische Anwälte Gerichtsverfahren sowie deren öffentliche Wahrnehmung mitprägten und im Sinne der eigenen politischen Bewegung nutzbar machen konnten. Wie setzten sie juristische Verfahrensmöglichkeiten für weitergehende Ziele ein? Nach Hinweisen zu den Ursprüngen dieses Anwaltstypus und den biographischen Hintergründen der Anwälte fokussiert der Beitrag das Fallbeispiel der Berliner »Spartakusprozesse«. In diesen Verfahren gegen (angebliche) Beteiligte am Januaraufstand 1919 klagten die untersuchten Anwälte die Rechtsprechung, die neue Regierung und die bewaffnete Macht an. Schon hier stellten sie die für die Weimarer Republik zentralen Fragen nach der Legitimität und Legalität der Regierung sowie nach einer alternativen Ordnung. Deutlich wird ferner der besondere Resonanzraum für politische Strafverteidigung in Umbruchszeiten und für Anwälte, die zugleich als Politiker öffentlichkeitswirksam arbeiteten. Sozialistische Anwälte können folglich nicht auf die Rolle von Kronzeugen gegen die einseitige Justiz der Weimarer Republik reduziert werden, sondern sie waren selbstbewusste Akteure, die zur Debatte um den rechtlichen und politischen Charakter der neuen Ordnung wesentlich beitrugen.
Ausweisungen können weitere politische Funktionen einnehmen, die über die staatliche Steuerung von Migration hinausgehen. Wie wir in diesem Aufsatz anhand zweier Sondertypen von Ausweisungen zeigen, können solche Maßnahmen gerade in Phasen staatlicher Konsolidierung und bei der Überlappung von Souveränitätsansprüchen als politisches right-peopling auftreten. In diesem Kontext untersuchen wir die Rolle von Ausweisungen während der kritischen Phase der deutschen Nationalstaatsbildung nach dem Ersten Weltkrieg. Für die 1920er-Jahre analysieren wir einerseits Ausweisungen von Deutschen aus anderen Landesteilen durch deutsche Landesbehörden (etwa von Württembergern aus Baden), andererseits Ausweisungen von Deutschen aus dem besetzten Rheinland durch die alliierten Besatzungsbehörden. Mit Bezug auf aktuelle Debatten um Illegalisierung und deportability von Migrant*innen betrachten wir Beispiele aus regional- und rechtshistorischen Quellen der Weimarer Republik. So zeigen wir, wie Ausweisungen sozialpolitische und ethnisch-exklusive Ziele hatten, aber auch zu einer Stärkung staatlicher Institutionen und zu einer nationalistischen Identifikation mit dem Deutschen Reich nach dem verlorenen Krieg führten.
Seit sich die republikanische Regierungsform in Frankreich endgültig durchgesetzt hatte (1875), waren vier Gruppen von Franzosen Diskriminierungen ausgesetzt, die im Staatsangehörigkeitsrecht festgeschrieben waren: französische Frauen, die Ausländer heirateten; algerische Muslime, Eingebürgerte und Juden. Die Republik erkannte sie als Franzosen an, gewährte ihnen aber nicht in jeder Hinsicht gleiche Rechte. Heute sind diese Diskriminierungen verschwunden. Doch zwei der vier Gruppen – die Juden und die algerischen Muslime – tragen weiterhin die gelebte Erfahrung und die Erinnerung früherer Diskriminierungen, auch wenn sie inzwischen völlig gleichberechtigt sind und zum Teil Anerkennung oder Reparationen erhalten haben. Der Aufsatz soll verstehen helfen, warum dies so ist, und greift dafür auf psychoanalytische Erklärungsansätze zurück. In beiden Fällen gab es ein zweites Ereignis, das die schmerzliche Vergangenheit reaktivierte: eine Rede de Gaulles 1967 bzw. die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 1993. Dieses zweite Ereignis geschah in einer Zeit formaler Rechtsgleichheit und wies dennoch auf die Zeit der Diskriminierung zurück.