1900-1945
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Während des gesamten 20. Jahrhunderts standen Frauen in den USA im Fokus öffentlicher Debatten und Expertendiskurse, die ihre biologische und soziale Funktion als Mütter künftiger Staatsbürger reflektierten. Diese Auseinandersetzungen um „Concepts of Motherhood“ erlauben Rückschlüsse auf zentrale gesellschaftliche Wandlungsprozesse und deren Gegenbewegungen. So zeigen die hier analysierten Debatten um Frauenrechte, Frauenarbeit und Reproduktion erstens, dass sich Normen und Handlungsspielräume für Frauen zwar sukzessive erweiterten, sie jedoch stets von Forderungen nach einer Re-Biologisierung der Geschlechterrollen bedroht waren. Zweitens wird deutlich, dass das Ideal der „White Middle Class Nuclear Family“ in den Debatten nicht grundsätzlich angetastet wurde. Vielmehr ging es den Beteiligten um die Ausbalancierung der Geschlechterrollen innerhalb dieser Kerneinheit, unter Vernachlässigung der Bedürfnisse und Lebensrealitäten von Müttern aus anderen ethnischen oder sozialen Gruppen.
Für den staatlichen norwegischen Fernsehsender NRK produzierte der Regisseur Alexander Kristiansen die vierteilige Serie „Frontkjempere“ (dt. die Frontkämpfer). Diese sollte Antworten auf die Frage geben, warum sich unter der deutschen Besatzung tausende Norweger freiwillig für die Waffen-SS rekrutieren ließen. Kurz vor der Erstausstrahlung wurde im April 2021 eine Diskussion um die Darstellung der SS-Veteranen durch die Filmemacher entfacht, als der Historiker Terje Emberland sich öffentlich von seiner Mitarbeit an der TV-Produktion distanzierte. Emberland erklärte in einem deutlichen Statement auf Facebook, „Frontkjempere“ spreche die ehemaligen Waffen-SS-Mitglieder von ihrer Verantwortung frei und reproduziere geschichtsrevisionistische Thesen.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts stand Mathematikern, Naturwissenschaftlern und Ingenieuren eine Reihe von mathematischen Methoden (numerischen und graphischen Verfahren) sowie technischen Hilfsmitteln (Instrumente, Apparate, Maschinen, Tafelwerke) zur Verfügung, um exakte Lösungen bzw. Näherungslösungen für mathematische Probleme »ausrechnen« zu können, die im Zusammenhang mit ihrer wissenschaftlichen oder praktischen Arbeit auftraten. Ein genauerer Blick zeigt, dass um 1900 ein ganzer »Apparate- und Methoden-Zoo« zur Verfügung stand, dessen Klassifizierung – um im Bild zu bleiben – einen sehr kundigen »Apparate- und Methoden-Zoologen« erforderte, um die »Morphologie« und »Anatomie« der Apparate und deren »Physiologie« (in Bezug auf die informationsverarbeitenden Funktionen) zu überblicken. So gab es z. B. weit verbreitete Apparate und Methoden wie Rechenschieber und Planimeter, mechanische Rechenmaschinen, Multiplikations- und Logarithmentafeln oder das Runge-Kutta-Verfahren zur numerischen Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen, aber auch nur in Einzelexemplaren existierende Geräte, wie die im 19. Jahrhundert verschiedentlich entwickelten Gleichungswaagen.
Symbolisch für die menschliche Hoffnung auf eine sichere Landung schaut der kleine Hund in den Himmel (Abb. 1). In der „Parachutes-Number“ vom März 1937 brachte „Life“ einen dreiteiligen Bildbeitrag über den Fallschirmsport. Neben Titelbild und -story von Margaret Bourke-White wurde Agenturmaterial für den beim damaligen Publikum so beliebten „Thrill“ verwendet. Mit dem Bild vom deutschen Dachshund hinterließ Kurt Korff einen Nachweis seiner Beratungsarbeit für das amerikanische Magazin.
Stress ist ein ubiquitärer Begriff – seine geschichtswissenschaftliche Erforschung aber hat erst begonnen. Der Aufsatz skizziert programmatisch die Genese und die Funktionen des Stresskonzepts im 20. Jahrhundert. Dabei wird Stress nicht in erster Linie als Syndrom und Krisenphänomen betrachtet, sondern als Deutungs- und Handlungsangebot westlicher Gesellschaften, die sich als instabil, wandelbar, innovativ und dynamisch begreifen. Die performative Kraft des Stresses als Modus gesellschaftlicher Selbstreflexion wird in vier historisch und systematisch aufeinander bezogenen semantischen Feldern untersucht: Stress als Regulations- und Anpassungsmodell, Stress als Prinzip der Wettbewerbsgesellschaft (mit engen Beziehungen zu Arbeit, Leistung und Erfolg), Stress als Zivilisationskritik (mit der stressfreien Gesellschaft als utopischem Gegenbild) sowie Stress als flexible Ökologie von Mensch-Umwelt-Verhältnissen. Dabei handelt es sich weniger um eine chronologische Ordnung als vielmehr um Deutungsvarianten, die in unterschiedlichen Verwendungskontexten aufkamen und sich im heutigen Stressbegriff überlagern.
Die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen in Forschung und Lehre steht heute weit oben auf der politischen Agenda bundesdeutscher Wissenschaftspolitik. Primäres Ziel ist es gemäß dem sogenannten »Kaskadenmodell«, den Frauenanteil auf allen Karrierestufen in Forschung und Lehre demjenigen der Studierenden und Promovierenden anzugleichen. Dies sei, so das Bundesministerium für Bildung und Forschung, »nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit«. Gemischte Gruppen führten, »wenn sie geeignete Rahmenbedingungen vorfinden«, außerdem »zu besseren Forschungs- und Entwicklungsergebnissen« sowie »zu einer Erweiterung der Forschungsperspektive«. Das gelte auch »für die Berücksichtigung von Geschlechterfragestellungen als Forschungsgegenstand«. Ähnlich beschreibt die Europäische Kommission das Ziel ihrer Gleichstellungspolitik für Wissenschaft und Forschung.
Pathologie der Gesellschaft und liberale Vision. Ralf Dahrendorfs Erkundung der deutschen Demokratie
(2004)
Dahrendorfs „Gesellschaft und Demokratie in Deutschland“ ist in besonderer Weise von den Umständen der noch jungen Bundesrepublik geprägt; das Werk gehört „heute selber zur Frühgeschichte dieses Staates und seiner Gesellschaft“. Der Soziologe Dahrendorf (geb. 1929) hatte eine Zeitdiagnose in nationalpädagogischer Absicht und mit sozialliberalem Impetus verfasst - „politischer Traktat, Einführungsvorlesung und Theorie der Demokratie“ in einem. Seine Untersuchung war „ein Plädoyer für das Prinzip der liberalen Demokratie“ (S. 27). In der Trias von historischer Erklärung, soziologischer Analyse und engagierter politischer Theorie bleibt „Gesellschaft und Demokratie“ bis heute eine Ausnahme und kann wirkungsgeschichtlich kaum überschätzt werden.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs schien eine europäische Neuordnung im Sinne internationaler Zusammenarbeit, gemeinsamer liberaler Werte und demokratischer Regierungsformen greifbar zu sein. Kaum jemand ahnte, wie rasch die ideellen Grundpfeiler des westlichen Modells, die US-Präsident Wilson in seinem 14-Punkte-Plan skizziert hatte, durch multiple Krisen erschüttert würden. Die Situation unterschied sich sehr deutlich von den epochalen Zäsuren der Jahre 1945 oder 1989, als die liberale Ordnung in Westeuropa eine historische Legitimation für sich beanspruchte. Nach 1918 zeichnete sich bald ab, dass kein Spielraum für eine selbstgewisse liberaldemokratische Verortung am „Ende der Geschichte“ vorhanden war. Anstelle einer Rückkehr zum optimistischen Fortschrittsparadigma drohte allenthalben Regression.
Atomisierung, Entmündigung, Zwangsorganisation. Arbeitsrecht und Arbeitsverfassung im Dritten Reich
(2013)
Die Arbeitsverfassung des Dritten Reiches zielte in ihrem Kern auf die "vollkommene Atomisierung der deutschen Arbeiterklasse", so der sozialdemokratische Politikwissenschaftler Franz Leopold Neumann 1942 in seinem berühmten "Behemoth". Und in den Deutschland-Berichten der SOPADE hieß es bereits 1935: "Das Wesen der faschistischen Massenbeherrschung ist Zwangsorganisation auf der einen, Atomisierung auf der anderen Seite." Atomisierung und eine zugleich repressive wie sozialpaternalistische Integration der Arbeitnehmerschaft in eine rassistisch definierte "deutsche Volks- und Leistungsgemeinschaft" - in diese Formel lassen sich auch die Grundintentionen fassen, nach denen das NS-Regime die neue Arbeitsverfassung und ebenso das Arbeitsrecht zu strukturieren versuchte. Was aber heißt dies konkret? Wie erfolgreich waren das Hitler-Regime und die nationalsozialistischen Arbeitsrechtler bei der Verwirklichung dieser Ziele? Zu diskutieren ist in diesem Zusammenhang außerdem, ob (und inwieweit) sich die Arbeitsmarktkonstellationen, (sonstige) Tarifverhältnisse und innerbetriebliche Sozialbeziehungen auf Dauer überhaupt autoritär-zentralistisch regulieren lassen.
Die Strukturen wie die Ressourcenkonstellationen in der Wissenschaftslandschaft 1930 bis 1945 sind wesentlich durch vier Aspekte charakterisiert: (1.) durch den Primat der Kriegsrelevanz, (2.) durch eine institutionelle, vorgeblich polykratische Zersplitterung, der reichsdeutschen Wissenschaftslandschaft - die ihrerseits den Hintergrund für das von der älteren Historiographie aufgestellte Diktum der vermeintlichen Ineffizienz der Forschung während des "Dritten Reiches" abgab - , (3.) durch eine doppelte Ressourcenverschiebung innerhalb des Gesamtkomplexes der Wissenschaften und (4.) durch die Expansion der reichsdeutschen Wissenschaften auf dem Rücken der Wehrmacht ab 1938.