21. Jahrhundert
Lutz Niethammer ist einer der bedeutendsten Zeithistoriker Deutschlands. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 war er Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Im Jahr 1971 wurde er zum Thema Praxis der Entnazifizierung in der US-amerikanischen Besatzungszone promoviert, hatte anschließend Professuren an der Universität Essen und der FernUniversität Hagen inne. Bekannt ist Niethammer als Doyen der Oral History in der Bundesrepublik. Kontroversen löste seine Studie über „die roten Kapos“ aus.
Sein erstes Buch ist allerdings in Vergessenheit geraten, zu Unrecht. In der Studie Angepaßter Faschismus (1969) befasste sich der damals noch unbekannte Lutz Niethammer mit der erst 1964 gegründeten Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Seine Erkenntnisse über das Wesen des „organisierten Nationalismus“ scheinen heute wieder aktuell. Yves Müller und Dominik Rigoll sprachen mit Lutz Niethammer über das vor 50 Jahren erschienene Buch und über gegenwärtige Gefahren für die Demokratie.
Als Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine angriff, näherte sich das russische Kriegsschiff Moskwa der Schlangeninsel. Die Aufforderung an die auf der Insel stationierten ukrainischen Soldaten, sich zu ergeben, wurde mit einem vulgären Ausdruck quittiert, der auf Deutsch sinngemäß (wenn auch bedeutend abgeschwächt) mit „Russisches Kriegsschiff, verpiss dich“ übersetzt werden kann. Umgehend wurde dieser Spruch unter Ukrainer*innen und sich Solidarisierenden aufgegriffen, auf Demonstrationen sowie in den sozialen Medien reproduziert und der Mut des Soldaten gefeiert: Die Schlangeninsel wurde zu einem Symbol von Heldentum, Widerstand und Trotz und ist seitdem in aller Munde. Doch ‚gibt‘ es die Schlangeninsel nicht erst seit dem Februar 2022 – diese Insel spielte auch schon vorher eine Rolle, und das nicht nur für die Ukraine bzw. Russland. Grund genug, auf die Zeit vor der Ankunft des ‚russischen Kriegsschiffes‘ zu schauen.
Jonas Nesselhauf stellt die Ausstellung „9/11: Vom Ereignis zum Gedächtnis“ vor, die noch an diesem Wochenende in den Räumen des Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek zu sehen ist. Der Beitrag reflektiert anlässlich des 20. Jahrestages des 11. September 2001 über die Möglichkeiten einer Ausstellung gerade angesichts der enormen Visualität der Anschläge und ihres Charakters als globales Medienereignis, das bis heute das kulturelle Gedächtnis unserer Zeit zutiefst prägt. Herzstück der Ausstellung sind die Augenzeugen-Fotografien von Richard Karger, der die Skyline Manhattans am 11. September 2001 in beeindruckenden Bildern festhielt.
Wir werden das Königliche Schloss – manche sagen Humboldt-Forum – wohl nicht mehr los. Nun steht es da, das Kreuz obendrauf und die selfie-süchtigen Menschenmassen zu Füßen. Die Historikerin Hedwig Richter schlägt vor, wir sollten uns damit arrangieren. In der deutschesten aller Kompetenzen, der „Empörungskompetenz“, haben wir verlernt, uns an der einfachen Schönheit des Baus zu erfreuen. Richter prognostiziert: Vielleicht wird das Ding ja zum „Volksbau schlechthin?“
Nein, weder Schloss noch Nachbau waren dem Volk – wie auch immer es definiert sein mag – gewidmet. Das Original war eine Herrscherresidenz, sein Replikat ist architektonischer Ausdruck einer Nationalromantik, die die Berliner Republik heimsucht.
Emmanuel Macron ist nicht nur der erste französische Präsident, der nach der Kolonialzeit seines Landes geboren wurde, sondern auch der erste, der unumwunden von einer Kolonialschuld spricht und bereits 2017 – unter zum Teil heftiger Kritik – sein Vorhaben andeutete, Rückführungen von Kulturobjekten in ihre Herkunftsländer im Globalen Süden anzuregen. Nach seiner Wahl beauftragte er die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und den senegalesischen Intellektuellen Felwine Sarr damit, einen Bericht zu verfassen, der darlegen sollte, wie ein solches Verfahren gelingen kann.
Im Gegensatz zu Deutschland ist auf politischer Ebene in Frankreich also recht viel in Bewegung. Allerdings ist die Resonanz aus der Bevölkerung – wiederum anders als im deutschsprachigen Raum – zurückhaltender, wie Bénédicte Savoy im Gespräch mit Gabriele Metzler berichtet. Das Videointerview war Teil der Vorlesung Der lange Nachhall des Kolonialreichs. Deutsche Geschichte im europäischen und globalen Kontext seit 1919, die Metzler im ersten pandemiebedingt digitalen Universitätssemester, dem Sommersemester 2020, an der Humboldt-Universität zu Berlin hielt. Mit freundlicher Genehmigung der Gesprächspartnerinnen durfte es an dieser Stelle veröffentlicht werden.
Die Volksrepublik China, die Mongolei, Nordkorea und Japan – vier von insgesamt vierzehn direkten Nachbarn Russlands sind ostasiatische Staaten. Im Allgemeinen wird Russland als geografisches, politisches und kulturelles Bindeglied zwischen Asien und Europa verstanden. Allerdings wird Russland in Ostasien und „in Japan nicht primär als europäische, sondern als asiatische Macht wahrgenommen.“ Aus Japans Sicht führt die asiatische Großmacht Russland unter Missachtung territorialer Grenzen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Auswirkungen auf Japans politische Agenda.
Ende der 1970er Jahre tauchte »Preußen« in beiden deutschen Staaten wieder auf. Die »Preußenrenaissance« wurde bislang vor allem als geschichtspolitisches und intellektuellengeschichtliches Phänomen betrachtet. Preußen wurde aber auch, das zeigt der Blick auf die formative Phase der Preußenkonjunktur um 1980, in breiten Bevölkerungsschichten populär. Der nach 1989/90 betriebene Versuch indes, Preußen zur Traditionsstiftung für das vereinigte Deutschland zu nutzen, scheiterte auf lange Sicht. Heute ist Preußen, jenseits der Hohenzollerndebatte, nurmehr punktuell im Rhythmus der Jahrestage präsent.
Nach kurzer Recherche wird deutlich, dass die Konflikte zwischen Aserbaidschan und Armenien bereits nach der Oktoberrevolution im Jahr 1917 ausbrachen. Kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion indes eskalierte der Konflikt (1988), als beide Länder noch Teilrepubliken der SU waren. Damals forderte die mehrheitlich armenische Bevölkerung Karabachs den Anschluss des völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörenden Gebietes. Darauf reagierte Aserbaidschan mit Pogromen in Sumgait und Baku, gefolgt von der Vertreibung der Armenier*innen aus Aserbaidschan. Karabach-Armenien gewann diesen Krieg. Die in Bergkarabach lebenden Aserbaidschaner*innen flohen oder wurden vertrieben. Im Jahr 2020 eroberte Aserbaidschan die Gebiete zurück und besetzte Teile Bergkarabachs. Der Krieg sollte 44 Tage andauern und wurde am 9. November 2020 durch einen gemeinsamen Vertrag beider Länder beendet. Die Waffenruhe wird durch Russland überwacht. Der im September 2022 wieder aufgeflammte Krieg/Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien taucht in den Institutionen, die sich mit der jährlichen Registrierung der Konflikte und Kriege beschäftigen (AKUF, BpB), derzeit nicht auf. Überhaupt sind die Kenntnisse über die Geschichte und Gegenwart dieser Region selbst unter Historiker*innen sehr gering.