Zeithistorische Forschungen
Mit grandiosem Erfolg war 1995/96 am gleichen Ort die Vorgängerausstellung „Berlin - Moskau 1900-1950“ gezeigt worden. Diesen Begeisterungsvorschuss haben die Veranstalter nun entschlossen aufs Spiel gesetzt. Die Fortsetzung erinnert daran, was damals so faszinierte: Als eine Art Zeitmaschine machte „Berlin - Moskau 1900-1950“ den Besuchern die politischen und ästhetischen (Alb-)Träume der ersten Jahrhunderthälfte sinnlich-intellektuell erfahrbar. Anstatt aber auch unsere posttotalitären Nachkriegszivilisationen durch ein solches Prisma zu betrachten, präsentierte man im Herbst 2003 eine umfangreiche Zusammenstellung moderner Kunst aus sechs Jahrzehnten.Über Bord geworfen wurde alles andere, was das öffentliche Leben dieser Zeit geprägt hat: Architektur, Kino, Radio, Theater, Presse, Fernsehen, Denk- und Mahnmäler, Freizeitparks, Werbung, Wohnkultur, Sport und Städtebau. Übrig blieben rund 500 Kunstwerke, von denen die meisten zu den Städten Moskau und Berlin in keiner erkennbaren Beziehung stehen.
Die historische Migrationsforschung steht mitunter vor dem Problem, dass viele Methoden und Materialien, die in den übrigen Sozialwissenschaften zum Standard gehören, nicht zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die häufig stark betonte quantitative oder administrativ-juristische und politische Perspektive erweitert werden soll auf sozialkulturelle Phänomene, etwa auf Fragen der Konstitution von Gruppen und Gemeinschaften, der Identitätsbildung und des Identitätswandels sowie der Vielfalt der Adaptionsstrategien und ihrer Motivationen. Methoden der Oral History fallen praktisch völlig aus, wenn die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg oder gar noch frühere Epochen untersucht werden sollen. Auch schriftliche Zeugnisse aus dem Kreis der Wandernden bzw. Gewanderten sind äußerst rar, und wenn sie vorliegen, bilden sie einen sehr eng eingegrenzten Ausschnitt aus dem sozialen Spektrum des Migrationsgeschehens ab. Schwierig zu beantworten ist insbesondere die Frage nach dem Alltagsleben und den Sozialbeziehungen innerhalb von Einwanderergruppen sowie nach deren Beziehungen zu den vollberechtigten Staatsangehörigen.
Kürzlich hat Hans Günter Hockerts darauf verwiesen, dass in der sich diversifizierenden „jüngeren“ Zeitgeschichte Fragen nach Migration neben Geschlecht, Generation oder Konsum einen Aufschwung nehmen - womit die zeithistorische Forschung allgemeinen historiographischen Trends folgt. Dies ist ganz wesentlich Klaus J. Bade zu verdanken, der seit den späten 1970er-Jahren auf die Bedeutung der Migration von Polen und polnisch-russischen Juden nach Preußen und später in das Deutsche Reich für die Konstituierung der deutschen Nation hingewiesen und daraus allgemeinere Überlegungen zur Migration als Thema der Sozialgeschichte entwickelt hat. Auch durch das von ihm geleitete Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) wurde der Stellenwert der historischen Migrationsforschung in der deutschen Geschichtswissenschaft erhöht. Dennoch bleibt zu konstatieren, dass Migration in der deutschen Zeitgeschichte eher als Spezialfeld bzw. als randständiges Phänomen der Sozial(staats)geschichte angesehen wird.
Das Ziel der 1787 geschriebenen US-Verfassung sei es, so heißt es in der Präambel, »to form a more perfect union«. Damals war offen, ob das politische Experiment auf dem nordamerikanischen Kontinent erfolgreich sein oder ob es aufgrund von inneren und äußeren Konflikten schon bald scheitern würde. Entsprechend nannte das 1782 entstandene Great Seal of the United States, auf dem auch das bekannte Präsidentensiegel basiert, eine bis heute nicht völlig eingelöste Aufgabe: »E pluribus unum«, »Out of Many, One«, also aus vielen Einzelstaaten einen gemeinsamen Staat zu machen.
Caricature can be defined as an art engagé which aims to transmit a social or political message. In order to achieve this goal, the satirical picture triggers an emotional reaction in the audience and guides it through a cathartic coming-of-awareness process. The feelings evoked by caricature must not necessarily be expressed through laughter; but they are a joyful or indignant shock reaction to gazing at something absurd. William A. Coupe, following Schiller, therefore defines the nature of caricature as the outcome of a dialectical struggle between the ideal and the real: ‘This conflict of ideal and real may, however, be seen and expressed in two different ways, in an emotional and serious or in a humorous and jesting fashion.’
Nach wie vor gilt „1968" vielen Beobachtern als eine klare Zäsur in der bundesdeutschen Geschichte, als Übergang von der „restaurativen" Adenauer-Zeit zu einer liberalen westlichen Demokratie. In Schweden dagegen scheint „1968" keine Wirkungen gezeitigt zu haben; zumindest ist durch die (deutsche) Forschung nichts überliefert. In diesem Aufsatz werden die 68er-Ereignisse in beiden Ländern verglichen, um ihren historischen Stellenwert genauer zu bestimmen. Trotz unterschiedlicher Voraussetzungen gab es manche Gemeinsamkeiten. Das lag an einem ähnlichen gesellschaftlichen Strukturwandel in der Nachkriegszeit, in den die 68er-Bewegungen eingebettet waren, aber auch an kollektiven Wahrnehmungsprozessen, durch die das magische Jahr „1968" in beiden Ländern überhöht wurde. Aus dieser vergleichenden Perspektive erscheint „1968" weniger als spezifisch bundesdeutsche Zäsur denn als Katalysator der gesellschaftlichen Umbrüche in der gesamten westlichen Welt.
Ambivalente Metaphorik. Ein kritischer Rückblick auf Zygmunt Baumans "Dialektik der Ordnung" (1989)
(2017)
Lange vor Baumans »Dialektik der Ordnung« war mir ein Text von Yvonne Hirdman in die Hände gefallen, als ich mich für ein Forschungsprojekt zum »social engineering« in die Forschungsliteratur zur schwedischen Geschichte und Gesellschaftspolitik einzulesen begann. Hirdman, Historikerin, hatte 1989 ein schlankes Buch mit dem aus dem Deutschen abgeleiteten Titel »Att lägga livet tillrätta« publiziert, »Das Leben zurechtlegen«.[1] Die Studie war im Rahmen einer Enquête entstanden, mit deren Hilfe der schwedische Staat sein eigenes Funktionieren untersuchte. Hirdman, die zehn Jahre zuvor eine Geschichte der Sozialdemokratie unter dem selbstsicheren Titel »Wir bauen das Land« verfasst hatte, hielt nun derselben sozialdemokratisch dominierten Gesellschaftspolitik vor, die Menschen systematisch übermächtigt zu haben.
Seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts verreiste die Mehrheit der Westdeutschen mindestens einmal im Jahr. Die Urlaubsreisen wurden zunehmend als Pauschalreisen ins Ausland unternommen und stellten für die meisten Haushalte auch in Krisenzeiten ein zentrales Konsumgut dar. Um sich dem Reiseverhalten eines Großteils der Bevölkerung anzunähern, werden hier Pauschalurlaube in Spanien untersucht. Dank des wachsenden Flugverkehrs entwickelte sich gerade dieses Land in den 1970er- und 1980er-Jahren zum beliebtesten Auslandsreiseziel der Westdeutschen. Von der zeitgenössischen Konsumkritik wurden Pauschalurlaube in Spanien jedoch häufig negativ bewertet; individuelle Ansprüche spielten bei dieser Urlaubsform angeblich keine Rolle. Anhand der Urlaubspraktiken, wie sie sich indirekt aus den Angeboten der Veranstalter sowie zusätzlich aus Fotoalben und Erinnerungsberichten erschließen lassen, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Massentourismus und die Erfüllung individueller Vorlieben schlossen sich nicht aus; zudem waren Pauschalreisen mitunter der Einstieg in eine selbstständigere Begegnung mit dem Urlaubsland. Der Aufsatz verdeutlicht damit auch das Potential praxeologischer Ansätze zur Erforschung des bundesdeutschen Massenkonsums insgesamt.
A radical process of standardization of tourist destinations around the globe, particularly in urban contexts, has been described by numerous scholars during the last decades. Indeed, the reinvention of many cities as tourist destinations has made evident ‘an odd paradox: whereas the appeal of tourism is the opportunity to see something different, cities that are remade to attract tourists seem more and more alike’. In such a context, both scholars and practitioners point to abstract elements such as images, identities, flairs, and experiences, as the main elements defining destinations’ profiles. The American historian Catherine Cocks argued that the attribution of a ‘personality’ to the city was a key aspect in the transformation of American cities into tourist destinations. Urban personalities made the city easily available, readable and intelligible, transformed it into a salable commodity, and offered a compelling reason to visit it and to come back. Similarly, contemporary European cities can be seen as bearers of specific local urban identities that remain relatively fixed even when information, stereotypes and attributes may prove to be inaccurate or simply false. Wolfgang Kaschuba has in this sense described the production of urban identities as a cultural technique that is predominantly performed in certain societal spaces such as literature, tourism, mass media, pop culture, and history marketing. This article focuses on one of such spaces, tourism, and explores how tourist communication transforms Berlin into a distinct and unique destination. It asks how the city is enacted by tourism as a singular and bounded entity, to which multiple orderings of identity are attributed.
The study of organized sound is the business of musicology – yet this routine observation carries a wealth of complexities, especially in the context of interdisciplinary discourse. Although musicology’s pluridisciplinary foundations offer open access to such disciplines as history, literary studies, mathematics, or sociology, the field’s intradisciplinary discourses and methodologies have shaped musicology in ways that turn most interdisciplinary exchange into a challenge. The scholarly exploration of sound in the twentieth century presents a case in point. Meaningful research on, for example, the music of the contemporary avant-garde composer Kaija Saariaho demands highly sophisticated technical skills in the spheres of the analysis, aesthetics, and technologies of music. While one could imagine interdisciplinary research on Saariaho involving, for example, the humanities or social sciences – perhaps with respect to, say, cultural politics in the late twentieth century – the specialist areas of music research usually remain disciplinarily hermetic. My current work on music in the USA during World War II offers striking examples of the need for, yet problems of, squaring interdisciplinary engagement with intradisciplinarities. The following remarks will address some of those disciplinary intersections.