947 Geschichte Osteuropas; Russlands
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"Zeitenwende": gleich mehrfach gebrauchte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine am 27. Februar im Deutschen Bundestag dieses Wort, um zu beschwören, dass seit dem russischen Überfall auf die Ukraine plötzlich alles ganz anders sei. Außenministerin Annalena Baerbock hatte schon am Morgen des russischen Überfalls bekundet: „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht.“
Doch provozieren die großen Worte von der Zeitenwende die Skepsis des Zeithistorikers. Mit einigem zeitlichen Abstand hat sich schon manche eilig ausgerufene historische Zäsur als weniger einschneidend erwiesen, als sie im Eifer des Moments noch scheinen mochte.
Im Falle der deutschen Bundesregierung stößt die eminent politische Absicht, mit der der russische Angriffskrieg zum unvorhersehbaren historischen Wendepunkt erklärt wird, übel auf.
Am Morgen des 24. Februar, kurz nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte, lag eine Mail der Pressesprecherin meiner Universität im Postfach: Sie rechne angesichts der Lage mit vermehrten Anfragen der Presse. Ob ich, immerhin doch Osteuropahistorikerin, als Expertin für den aktuellen Konflikt zur Verfügung stünde? Wenn man, wie ich, seine Schwerpunkte in der Kindheitsgeschichte des 20. Jahrhunderts einerseits und dem russischen 17. und 18. Jahrhundert andererseits gelegt hat, wird man mit solchen Anfragen normalerweise nicht überhäuft. Sicher, Dokumentarfilmer*innen und Podcaster*innen fragen manchmal an, aber das heute-journal oder die Tagesschau? Ungewöhnlich.
Die erstmalige persönliche Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an der diesjährigen UN-Vollversammlung 2023 in New York und an einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats haben die Abwesenheit des von ihm angesprochenen Gegenübers, des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sichtbar gemacht – eine Leerstelle, die aufgrund der Forderung des russischen UN-Botschafters, dem ukrainischen Präsidenten das vorgesehene Eröffnungsstatement der Sicherheitsratssitzung im letzten Moment zu entziehen, noch deutlicher wurde. Nach der Annexion der Krim hatte sich Putin 2015 noch mit einer Rede an die 70. UN-Generalversammlung gewandt, in der er unter anderem auch den Krieg der Separatisten im Donbas gegen die Ukraine zu rechtfertigen suchte. Den Wettbewerb um die globale Medienöffentlichkeit, deren Aufmerksamkeit Wladimir Putin mit dem Besuch des wieder ernannten chinesischen Außenministers Wang Yi im Kreml am selben Tag zu gewinnen versuchte, hat der ukrainische Präsident aktuell wohl für sich entscheiden können.
Queuing as a quintessential experience of Soviet everyday life: hardly any other motif has shaped our images of the late Soviet Union as much as the long lines of people persevering in front of shops and grocery stores. Besides hopes of purchasing essential and rare goods, the social aspect of this practice was also important, as exemplified by Vladimir Sorokin’s 1983 novel “The Queue” surrealistically exploring interactions of people queuing for an unknown commodity, or Olga Grushin’s 2010 book “The Line”, which unfolds a Soviet family’s everyday longings, hopes and obsessions based on rumours about a concert by a famous exiled composer, and a street kiosk that may or may not have tickets on sale.
Dicht gedrängt sitzen oder liegen die Gefangenen auf der Erde, in der prallen Sonne. Einer von ihnen, ein Rotarmist asiatischer Herkunft im Vordergrund, schaut in die Kamera. Sein Blick ist eindringlich, man meint Erschöpfung und Demütigung darin zu lesen. „Sowjetische Kriegsgefangene an einer Sammelstelle der Wehrmacht, vermutlich Belarus, Anfang Juli 1941“ heißt es in der Beschreibung über das Bild, das im Nachweis als Fotografie einer Propagandakompanie identifiziert wird. Es handelt sich um das Titelbild der Open-Air-Ausstellung „Dimensionen eines Verbrechens: Sowjetische Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg“, die am 18. Juni, kurz vor dem 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion, in Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet wurde und noch bis zum 16. Januar 2022 in Berlin-Karlshorst zu sehen ist.
Was ist die „Haltung“ der Bilder – summarisch verstanden als die mit Herstellung und Verwendung, Motiv und Inszenierung einer Fotografie einhergehenden Ideen und Werte – und unsere Haltung ihnen gegenüber?
Vernichtungskrieg und Provenienzforschung. Der nationalsozialistische Kulturgutraub in Osteuropa
(2020)
Mit dem deutschen Überfall auf Polen 1939 begann ein rassistischer Vernichtungskrieg in Osteuropa, der den Tod von Millionen von Zivilisten einkalkulierte. Der Eroberungsfeldzug wurde begleitet von einem systematischen Kunst- und Kulturgutraub durch die deutschen Einheiten in den eingenommenen Gebieten.
„Wir wissen wenig über die Fotografie der Landser“, merkte Bernd Hüppauf noch im Jahr 2015 in seiner Abhandlung über Fotografie im Krieg an. Um diesen Missstand weiter aufzulösen, wird im Folgenden ein Bereich der privaten Fotografien des Zweiten Weltkriegs betrachtet, der neben dem Gestalten von Fotoalben und dem Handel mit Bildern ebenfalls eine große Rolle innerhalb der Landserfotografie spielte: das Verfassen von illustrierten Tagebüchern bzw. von Fotoheften.
Bilder können bis heute in privates und öffentliches Leben, in gegenwärtiges Geschehen auf dramatische Weise eingreifen. Sie fungieren als fotografischer Beweis, daß das unvorstellbare tatsächlich geschehen ist. Schriftliche Dokumente, wie z.B. die Ämterkorrespondenz der Todesfabriken, die Protokolle von Geständnissen und Zeugenaussagen liefern sehr viel mehr und sehr viel detailliertere Informationen als Fotografien. Der Abbildcharakter des Mediums verleiht diesen Bildern gegenüber Texten jedoch einen höheren Grad von Überzeugungskraft und Beweisstärke.
’’Die Tatsachenberichte (über die Vernichtung der Juden in Polen) klingen zwar unglaublich, doch die von der Kamera festgehaltenen Bilder bezeugen die traurige Wahrheit” ist beispielsweise in der ’’Sittengeschichte des Zweiten Weltkrieges” zu lesen.