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Die 1980er Jahre können als eine Zeit zunehmender Turbulenzen und Unsicherheiten angesehen werden. Etliche politische Initiativen und soziale Bewegungen entstanden direkt aus den sozialpolitischen Konflikten dieser Zeit. Andere jedoch, die in den 1980er Jahren besonders aktiv waren, bestanden bereits seit Längerem, aber im unruhigen politischen Klima der damaligen Zeit erlebten selbst deren Aktivitäten wesentliche Veränderungen. Eine der langlebigsten dieser Bewegungen war die weltweite Bewegung gegen die Rassentrennung und Diskriminierungspolitik des südafrikanischen Apartheid-Regimes. Ausgehend von den diplomatischen Anstrengungen der südafrikanischen nationalen Befreiungsbewegungen hat sie sich in ein globales Phänomen entwickelt, welches die politischen Erfahrungen vieler unterschiedlicher politischer Kulturen und sozialer Bewegungen nutzen konnte. Nach einem Höhepunkt der Mobilisierung in den späten 1980er Jahren endete das ununterbrochene Bestehen dieser Bewegung mit den allgemeinen Wahlen in Südafrika im April 1994, zu denen erstmals alle erwachsenen Bürger der Republik zugelassen waren.
Kämpfe um Rückführungen prägen das europäische Grenzregime des 21. Jahrhunderts. Wie wir mit dem Konzept der Rückführbarkeit (Returnability) herausarbeiten, kommen dabei »sanfte« Instrumente der sogenannten Rückkehrförderung ebenso zum Einsatz wie gewaltsame Abschiebungen. Diese werden von migrantischen Widerständen herausgefordert. Zentrale Auseinandersetzungen in diesem Rückführungsregime analysieren wir im Zentrum der Europäischen Union und an ihren Rändern: Für Deutschland betrachten wir am Beispiel der bayerischen »Anker-Zentren« die Mikrophysik der Macht in Sammelunterkünften, Rückkehrberatung und Abschiebevollzug. Für Tunesien zeigen wir, wie staatliche Instrumente der Inhaftierung und Abschiebung durch internationale Programme und informelle Praktiken zur Unterstützung »freiwilliger Rückkehr« ergänzt werden. Unsere sozialwissenschaftliche Untersuchung stützt sich auf teilnehmende Beobachtungen, Interviews und schriftliche Quellen. Zeithistorisch bezieht sie die administrativen, diskursiven und politischen Voraussetzungen des heutigen Grenzregimes ebenso mit ein wie die migrantischen Handlungsspielräume und Widerstandspraktiken.
Geographisch und kulturell scheint der Nahe Osten von Deutschland weit entfernt zu sein. Historisch betrachtet ist dies ein Trugschluss, denn die dort virulenten Konflikte sind eng verflochten mit der europäischen Kolonialgeschichte, der Geschichte des Nationalsozialismus und der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte. Im Alltag sind sowohl der Nahostkonflikt als auch Frieden im Kleinen heute in vielfältiger Weise präsent: Während sich in Deutschland antisemitische und antizionistische, aber auch antimuslimische Angriffe häufen, serviert das von einem jüdischen und einem arabischen Israeli gemeinsam betriebene Berliner Restaurant Kanaan im Prenzlauer Berg »Hummus zur Völkerverständigung«. Das von Daniel Barenboim und Edward Said 1999 in Weimar gegründete West-Eastern Divan Orchestra, paritätisch mit israelischen und arabischen Musiker*innen besetzt, existiert nunmehr seit 20 Jahren und hat einen seiner Arbeitsschwerpunkte in Berlin. Unter den Menschen wiederum, die seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien nach Deutschland kamen, sind nicht wenige Nachfahren von Palästinenser*innen, die im Kontext der israelischen Staatsgründung aus dem ehemaligen britischen Mandatsgebiet flüchteten oder vertrieben wurden.
Es geht darum, ein Gleichgewicht zu finden. Die Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel im Interview
(2022)
Im neuen Visual-History-Beitrag unterhält sich Janine Funke mit der Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel. Im Fokus stehen dabei das neu veröffentlichte Buch der Journalistin sowie ihr Umgang mit Nachrichten und Social Media. Auch die Stichpunkte Kriegsfotografie, Symbolbilder, Fake News und Transparenz kommen dabei zur Sprache.
Die Industriestadt Schlobin (Gebiet Homel) liegt im Südosten der Republik Belarus und galt im August 2020 als eine der Hochburgen der Protestbewegung gegen das Lukaschenka-Regime. Zwei der vielen Schlobinern und Schlobinerinnen, die sich gegen die Diktatur auflehnten, waren der 18-jährige Jauhen Kachanouski und der drei Jahre ältere Dzmitryj Hopta. Am 5. Februar 2021 wurden sie wegen Beteiligung an „schweren Unruhen“ und „Widerstand gegen die Miliz (Polizei)“ vom Rayongericht Schlobin zu einer Haftstrafe verurteilt: Kachanouski, der noch im August festgenommen worden war, soll dreieinhalb Jahre im Gefängnis verbringen; Hopta, der vor dem Prozess auf freiem Fuß geblieben war, zwei Jahre. Obschon Hopta milder als Kachanouski bestraft wurde, rückte vor allem der 21-jährige Schlobiner ins Blickfeld belarusischer Medien: Die in Schlobin als regimetreu und hart bekannte Richterin Iryna Pradun stellte sich auf die Seite des wenig überzeugenden Staatsanklägers Andrej Anoschka, der die drastischen Haftstrafen für die Angeklagten (dreieinhalb Jahre für Kachanouski und zweieinhalb Jahre für Hopta) gefordert hatte. Während Kachanouski seine Schuld bestritten und außerdem über polizeiliche Folter berichtet hatte, zeigte sich Hopta reumütig, wodurch seine Haftstrafe etwas verkürzt wurde. Hoptas geistige Behinderung und die Tatsache, dass sich der Beschuldigte seit Jahren in psychiatrischer Behandlung befindet, wurden hingegen außer Acht gelassen.
Ist der Fall Hopta eher ein Betriebsunfall der „übereifrigen Provinzjustiz“ oder verdeutlicht er vielmehr, dass die belarusische Diktatur in ihrer Repressionspolitik eine weitere rote Linie überschritten hat? Welche Rolle spielen Menschen mit Behinderung im Kontext der Protestbewegung? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrages.
1988 publizierte Thomas Nipperdey Religion im Umbruch, einen Vorabdruck des Religionskapitels aus dem I. Band seiner Deutschen Geschichte 1866–1918. Das kleine Bändchen zur Religionsgeschichte des Kaiserreichs gilt seitdem als erster, folgenreicher Anstoß für ein neues Interesse deutscher Historiker an den komplexen Religionsgeschichten der Moderne. Unter dem Einfluß von Modernisierungsdogmatikern, die gesellschaftliche Wandlungsprozesse als progressive Rationalisierung aller Lebensbereiche vorgestellt hatten und deshalb «die Moderne» durch Megatrends wie «Säkularisierung», «Dechristianisierung» oder «Entkirchlichung» bestimmt sahen, hatten die Vertreter der klassischen Sozial- und Gesellschaftsgeschichte die Prägekraft religiöser Lebenswelten in modernen Gesellschaften weithin ignoriert und Glaubensorganisationen wie insbesondere die Kirchen bestenfalls als repressive Moralagenturen, «schwarze Polizei» oder herrschaftslegitimatorische Büttel eines autoritären Obrigkeitsstaates in den Blick genommen.
Vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Erosionen in Ost- und Mitteleuropa seit 1989 und insbesondere der deutschen Wiedervereinigung versäumte es die deutsche Kommunismusforschung lange, den Blick auch gen Westen zu richten. In den letzten Jahren ist allerdings ein Wandel des Forschungsinteresses zu verzeichnen, wie es Nikolas Dörr anhand der Phase des „Eurokommunismus“ in Westeuropa schildert. Den definitorischen Problemen, eine exakte wissenschaftliche Begriffsbestimmung zu leisten, geht der Autor ebenso nach wie Periodisierungs- und Fragen der historischen Semantik.
In der jüngeren zeithistorischen Forschung haben die europäischen Dimensionen des Nationalsozialismus an Konturen gewonnen. War die Historiographie der „Deutschen Katastrophe“ ein nationales Projekt sui generis und die ältere Forschung lange vorrangig auf die nationalsozialistische Gewaltherrschaft im Deutschen Reich selbst konzentriert, so rücken nun transnationale Fragen verstärkt ins Blickfeld. Im Sinne einer histoire croisée der europäischen Zwischenkriegszeit werden vergleichende wie verflechtungsgeschichtliche Ansätze enger aufeinander bezogen. Das Forschungsfeld hat sich dabei geöffnet – hin zu einer Gewaltgeschichte Europas im 20. Jahrhundert.
Der „Normalfall Migration“ (Bade/Oltmer 2004) ist in Forschung und Publizistik längst ein Gemeinplatz geworden und dennoch – die Ankunft eines Bruchteils der globalen Fluchtbewegungen stürzte Europa in den letzten Jahren nicht zum ersten Mal in eine politische und legitimatorische Krise. Von nie dagewesener Fluchtmigration war die Rede und vielerorts drohte wieder einmal der Untergang des Abendlands oder zumindest umfassendes Chaos (exemplarisch dokumentierend: Neumann 2015). Angesichts der verbreiteten – und empirisch gerechtfertigten – Etikettierung des 20. Jahrhunderts als „Jahrhundert der Flüchtlinge“ (Opitz 1999) erstaunt diese kurzsichtige Wahrnehmung, ebenso vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Bedeutung, die Migration für die europäische Geschichte nicht nur des 20. Jahrhunderts spielte (Bade 2000; Moch 1992). Flucht- und Gewaltmigration ist vielleicht nicht der migrationshistorische Normalfall, aber ein wiederkehrendes Phänomen (Oltmer 2017). Gleiches gilt für die Debatten um die Aufnahme von „echten“ und die Abwehr von vermeintlich „falschen“ Flüchtlingen. Die Unterscheidung, welche Migrationsformen eher als Flucht und welche eher als freiwillige Bewegung zu sehen seien, ist – und war – stets interessengeleitet. Zugleich ist die Entscheidung zur Migration in aller Regel einer Vielzahl von Motiven unterworfen, die mal eher Zwangs-, mal eher den Charakter freiwilliger Entscheidung haben (Tilly 1978; Lucassen, Lucassen 2005). Hierzu gehören insbesondere auch Folgewanderungen, die nach dem Ausweichen vor direkter Gewalt den weiteren Weg bestimmen.