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Die Etablierung des Computers zählt zu den wichtigsten gesellschaftlichen Veränderungen der jüngeren globalen Zeitgeschichte. Bereits seit den 1950er Jahren setzten auch in Deutschland große Unternehmen, Behörden und ebenso das Militär Computer ein, bevor in den 1980er Jahren die flächendeckende Ausbreitung der Personal Computer (PCs) begann. Die Zeitgenossen diskutierten von Beginn an die Folgen der Computerisierung und bewerteten sie als einen tiefgreifenden Umbruch, etwa als Beginn der »Informationsgesellschaft« oder »dritte industrielle Revolution«. Rasch galt die Verbreitung von Computern als ein ambivalent gedeuteter Wandel: Sie galten als Motor eines ökonomischen und gesellschaftlichen Aufbruchs und als Ursache für eine krisenverstärkende Rationalisierung und Überwachung. Jenseits der Diskurse wurde in vielen gesellschaftlichen Bereichen rasch spürbar, dass der Computereinsatz soziale Realitäten veränderte.
Institutionen, Ideen oder Deutungsmuster lassen sich aus unterschiedlichen Perspektiven erforschen. Für gewöhnlich wird vor allem die Perspektive der untersuchten Akteure analysiert. Wer als Historiker über die Sozialdemokratie, das Militär oder die Bildung in einer bestimmten Zeit arbeitet, wertet vornehmlich die Schriften, Dokumente oder Statistiken aus, die die damit verbundenen Organisationen selbst produzierten. Ähnliche Ansätze verfolgte auch die Religions- und Kirchengeschichte lange Zeit, indem sie sich auf Quellen der kirchlichen Institutionen konzentrierte, auf deren Akteure, Texte, Statistiken oder auf die Lebenswelt religiöser Gruppen. Allerdings erscheint es in modernen Gesellschaften unzureichend, Institutionen oder weltanschauliche Gruppen vornehmlich von ihrer Selbstbeschreibung her zu begreifen. Gerade Beharrungs- oder Wandlungsprozesse sind zumeist auch mit externen Veränderungen und Außendeutungen verbunden. Wer den Wandel der Sozialdemokratie, der Universitäten oder eben der Kirchen erklären will, muss die von außen an sie herangetragenen Erwartungen und Deutungen ebenfalls einbeziehen, da gerade Großorganisationen sich eher durch Außendruck bewegen.
Annette Vowinckel weist in ihrem Artikel eingangs auf unterschiedliche Forschungsfelder hin, in denen sich Mediengeschichte bewegt. Um jedoch die differenten Zugänge zur Mediengeschichte adäquat zu verstehen, sind die unterschiedlichen disziplinären Forschungsansätze, Forschungstraditionen und Mediendefinitionen deutlicher zu vergegenwärtigen.
In both the US and West-Germany, the history of the 1970s is perceived as a time of economic and cultural crises. More recent publications in both countries concentrate on political protest and reform movements. American studies, however, choose a wider focus, that could be inspiring for future German studies, through amplifying the crisis narrative with the everyday developments of the 1970s, ranging from new forms of consumption to tourism and mass sports. Moreover, successful movies and TV series were analysed to develop fundamental interpretations for the history of societies. Quite often, American publications succeed in connecting classical governmental policy with social history whereas German works tend to centre on either one of these aspects.
Quelle: Verlag
Nach ihrem Machtverlust und den Finanzskandalen steht die CDU vor ihrer schwersten Bundestagswahl. Ähnlich wie schon Adenauer hatte auch Helmut Kohl die Union zwar zu einer erfolgreichen Partei aufgebaut, sie aber zerrüttet hinterlassen. Frank Bösch betrachtet die aktuellen Herausforderungen der CDU im Zusammenhang mit ihrer wechselvollen Parteigeschichte. Diese Überblicksdarstellung zeigt, welche Reformpotentiale die CDU bislang aufwies und wo ihre Beharrungskräfte liegen. Die zum Teil dramatischen Veränderungen der Parteiführung, ihrer Organisation und Finanzen werden dabei ebenso untersucht wie der Wandel ihrer Politik, ihrer Programmatik und ihrer Wählerschaft. Damit gibt dieses Buch einen parteiunabhängigen Gesamtüberblick über nahezu sechs Jahrzehnte CDU-Geschichte.
Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880-1914
(2009)
Im ausgehenden 19. Jahrhundert traten in ganz Westeuropa zahllose spektakuläre Skandale auf. Es kam zu Enthüllungen über Korruption, Ehebrüche und koloniale Gewalt, die zu politischen Krisen und grenzübergreifender Empörung führten. Frank Bösch untersucht diese politischen Skandale erstmalig systematisch, international vergleichend und anhand von umfassenden Archivquellen. Er analysiert Verlauf und Wirkungen der Skandale und fragt, inwieweit sie die politische Kommunikation, Machtstrukturen und kulturellen Normen beeinflussten. Zudem zeigt die Studie, wie sich in Deutschland und Großbritannien das Verhältnis von Politik, Medien und Öffentlichkeit veränderte und verdeutlicht die Interaktionen und Annäherungen zwischen den beiden Ländern.
Als „Wohlstand für alle“ im Februar 1957 erstmals erschien, genau rechtzeitig zu Erhards 60. Geburtstag, nahm die Öffentlichkeit eher verhalten Notiz. Die „Süddeutsche Zeitung“ ging auf den Inhalt des Buches nicht weiter ein; sie lobte stattdessen den Optimismus des Bundeswirtschaftsministers und seine Verdienste als „Psychologe der Konjunktur“. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schenkte der gleichzeitig erschienenen Festschrift für Erhard sogar mehr Aufmerksamkeit. Nur das „Handelsblatt“ reservierte eine gute Viertelseite, rühmte den „sehr fesselnden, oft amüsanten“ Stil und wagte die Prognose, das Buch werde „ohne Zweifel in die Breite wirken“. Trotzdem war zum damaligen Zeitpunkt nicht zu erwarten, dass das - zumindest aus heutiger Sicht - streckenweise dröge und betuliche, nur durch zahlreiche Karikaturen aufgelockerte Buch bis 1964 acht Auflagen erleben würde oder gar, in Gestalt einer „aktualisierten Neuausgabe“, 1990 „unseren Landsleuten in der DDR“ gewissermaßen als Leitfaden „aus dem Morast des Sozialismus“ in die „offene, demokratische Gesellschaft“ dienen könnte („Vorrede an den Leser“, S. If.). 1999 war eine Gesamtauflage von 250.000 Exemplaren erreicht. Zurzeit ist das Werk jedoch nur noch antiquarisch zu bekommen - oder kostenlos als Download bei der Ludwig-Erhard-Stiftung.
Der Völkermord an den Ovaherero und Nama gehört seit einigen Jahren zu den großen geschichtspolitischen Themen der Bundesrepublik und findet aktuell auch international eine bis dato ungekannte Aufmerksamkeit. Hintergrund hierfür ist die Klage der Ovaherero und Nama, die im Januar 2017 am Bundesbezirksgericht in New York eingereicht wurde. Dabei handelt es sich um eine Sammelklage gegen die Bundesregierung, mit der die KlägerInnen Entschädigung für den Genozid und den Verlust von Eigentum erwirken wollen. Die geforderte Entschädigung wird in der Klageschrift nicht näher spezifiziert, vielmehr sollen Form und Umfang im Verfahren geklärt werden. Der Prozess hat noch nicht begonnen. Bislang scheiterte das Verfahren bereits daran, die Zulässigkeit der Klage zu prüfen. Am 25. Januar 2018 vertagte das zuständige Bundesbezirksgericht in New York diese Prüfung nach wenigen Minuten erneut, da sich der Anwalt der Bundesregierung mehr Vorbereitungszeit erbat.
Im Jahr 2000 bemerkte Wilfried Loth, dass unter deutschen Historikerinnen und Historikern bislang selten systematisch über Internationale Geschichte nachgedacht worden sei. Bis heute ist mit dem Ansatz der Internationalen Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts eher eine Perspektive auf die „große Politik“ und auf die klassische Diplomatiegeschichte verbunden. Daran hat auch die inzwischen weitgehend etablierte Umbenennung der „Geschichte der internationalen Beziehungen“ in „Internationale Geschichte“ nur wenig geändert. Die Bände, die in der von Loth gemeinsam mit Eckart Conze, Anselm Doering-Manteuffel, Jost Dülffer und Jürgen Osterhammel seit 1996 herausgegebenen Reihe „Studien zur Internationalen Geschichte“ erschienen sind, öffneten sich zwar durchaus sozial- und kulturhistorischen Ansätzen. Das Repertoire der Globalgeschichtsschreibung ist hier aber noch nicht ausgeschöpft worden. Innovative globalhistorische Monographien, wie beispielsweise Sebastian Conrads Untersuchung zu „Globalisierung und Nation im Deutschen Kaiserreich“, liegen für die deutsche Zeitgeschichtsforschung noch nicht vor. Für das ‚lange 19. Jahrhundert‘ hat Conrad es verstanden, gerade das Deutsche Kaiserreich als nationales Gebilde in den Bezugsrahmen Internationaler Geschichte einzuspannen und hierbei den deutschen Nationalismus „auch als Produkt und Effekt von Interaktionen, Austausch und Zirkulation innerhalb einer zunehmend vernetzten Welt“ zu analysieren.
„Generation” ist ein geschichtlicher Grundbegriff. Er verspricht, eine spezifische Ausprägung des Denkens, Fühlens und Handelns zu erklären, indem die unterstellte dauerhafte und gleichartige Wirkung von Sozialisationsbedingungen auf eine Gruppe von Menschen als kollektive Erfahrung aufgefasst wird.
1955 schrieb die amerikanische Anthropologin Margaret Mead in einem von der UNESCO herausgegebenen Band mit dem Titel Cultural Patterns and Technical Change, man müsse in der Entwicklungsarbeit in »Übersee« darauf achten, dass die Menschen, deren alltägliche Lebenswelt sich durch die »Entwicklungshilfe« schnell und einschneidend verändere, möglichst geringen psychischen und sozialen Schaden nehmen. Gerade bei den technischen Umbrüchen könne es in der »Heilsgewissheit schneller Veränderungen« zu unvorhergesehenen Störungen kommen. Beispielsweise könnten Traktoren in den ländlichen Gebieten der »Dritten Welt« auf die Bauern erschreckend und terrorisierend wirken, Stress auslösen und zu psychischen Problemen führen. Mead war zu jener Zeit für die 1948 gegründete World Federation of Mental Health (WFMH) tätig, eine Körperschaft der UNO, in deren Rahmen sich gleich mehrfache Entwicklungswelten überlagerten. Die dort verfolgten Diskurse und Praktiken zielten darauf ab, die psychische Innenwelt als Resonanzraum und potentiellen Störfaktor von technischen Entwicklungsprozessen zur Geltung zu bringen. Zugleich machte man nicht nur das seelische Wohlbefinden der »zu Entwickelnden« zum Gegenstand der Sorge, sondern wollte auch durch Seminare und Anleitungsbücher friktionsfreie Kommunikationsräume schaffen, in denen ein »friedliches Zusammenleben« zwischen Entwicklungsexperten, Counterparts und Anwohnern vor Ort möglich würde – so äußerte sich jedenfalls der Leiter der WFMH, der ehemalige Militärpsychiater John Rawlings Rees. Fundamentale Zweifel an den Entwicklungszielen der Technisierung und an der Hierarchisierung der Verhältnisse in der Entwicklungsarbeit äußerten Mead und Rees trotz aller Warnungen vor psychischen Schäden nicht. Vielmehr ordneten sie sich in eine Expertengemeinschaft ein, in der Fachvertreter verschiedener Disziplinen – der Psychologie, der Soziologe, der Anthropologie und der Geschichtswissenschaft, vor allem aber der Ökonomie und der Ingenieurwissenschaften – neue Weltentwicklungsstrategien erarbeiteten, mit deren Hilfe die sozioökonomische Ungleichheit auf der Erde zum Verschwinden gebracht werden sollte.
Mit der Titelstory »The Cooking Craze« kommentierte das »Time Magazine« 1977 die Hingabe von US-Amerikaner_innen an eine neue Leidenschaft: das Kochen. »The Great American Love Affair is taking place in the kitchen«, behauptete der Artikel, in dem sich auch Craig Claiborne zu Wort meldete, seit 1957 Food Editor und Restaurantkritiker der »New York Times«. Er bekräftigte: »Gourmet cooking at home is a movement that has arrived.« Das Magazin diagnostizierte damit ein Massenphänomen: Seit den 1960er-Jahren eroberten das Selberkochen und ein verstärktes Interesse an Ernährung den Alltag vieler US-Amerikaner_innen. Der Artikel beschrieb einen Trend, der Frauen – und zunehmend auch Männer – vorwiegend aus der Mittel- und Oberschicht erfasste sowie einen Boom der Kochbuchliteratur mit sich brachte.
Der erste „neue Krieg“? Staatszerfall und Radikalisierung der Gewalt im ehemaligen Jugoslawien
(2005)
Der jugoslawische Sukzessionskrieg der 1990er-Jahre ist fälschlich als Prototyp einer in aller Welt beobachtbaren Form des „neuen Krieges" gedeutet worden. Er kann jedoch weder hinsichtlich seiner Ursachen noch in Bezug auf seine äußere Gestalt als „neuartig" bezeichnet werden. Charakteristische Motive, Instrumente und Ausdrucksformen des Konflikts waren bereits während der Balkankriege 1912/13 sowie im Zweiten Weltkrieg gang und gäbe. Jedoch hat die besondere Medialisierung dieses ersten bewaffneten Konflikts auf europäischem Boden nach 1945 die Merkmale „informeller" Kriegsführung stärker in das Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit gerückt. Nicht die Gestalt des Krieges an sich war neu, sondern die Art, wie er von außen wahrgenommen und später interpretiert wurde.
Klischee, Klitterei, Geschichtchen ohne Geschichte - so die schärfsten Vorwürfe in der öffentlichen Debatte um den Historienfilm „Rosenstraße“. Er erzählt die Geschichte des Protestes nichtjüdischer Berliner Frauen gegen die tagelange Inhaftierung und befürchtete Deportation ihrer jüdischen Ehemänner durch Gestapo und SS im Frühjahr 1943. Ein Film im Kreuzfeuer eines Historikerstreites: Die Deportation der jüdischen Ehepartner sei geplant gewesen, erst der weibliche Protest habe zur Freilassung der Mehrzahl der rund 1.500 bis 2.000 Inhaftierten geführt - so die einen (Nathan Stoltzfus, Gernot Jochheim). Die Inhaftierung habe ‚nur’ der Auswahl von Ersatzkräften für zu deportierende „Volljuden“ gedient, die folgende Freilassung der „Mischehen-Partner“ sei bereits beschlossen gewesen - so die anderen (Wolf Gruner, Wolfgang Benz).
In meinem Forschungsprojekt geht es um Plakate als eine spezielle Form der Gebrauchsgrafik. Gegenübergestellt und gleichzeitig miteinander in Beziehung gebracht werden „okzidentale“ und „orientalische“ Plakate, vornehmlich Werbeplakate, die auf der „westlichen“ Seite orientalistische Motive und auf der „orientalischen“ Seite okzidentalistische Formsprache und Informationsgehalte verwenden. Der Untersuchungszeitraum ist die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ab 1945 bis zum September 2001, also bis zu der Zeit, bevor der sunnitisch geprägte Fundamentalismus für die Kunst relevant wurde. Dabei werden die künstlerischen Verbindungen und Wege von Motiven zwischen West und Ost verfolgt und somit die komplexen Beziehungen zwischen der Plakatproduktion zweier sich selbst jeweils als „anders“ wahrnehmender Kulturen untersucht. Es geht nicht nur um Unterschiede, sondern gleichermaßen um Gemeinsamkeiten, Übernahmen, Verwandlungen, wechselseitige Stereotypisierungen und um möglicherweise parallele Entwicklungen, also um transkulturelle Prozesse, die an konkreten und in den jeweiligen Gesellschaften sichtbaren Kunstprodukten ablesbar sind.
Das Erdklima hat auch früher Phasen der Erwärmung und Abkühlung erlebt, ich gehe jedoch davon aus, dass die gegenwärtige globale Erwärmung im Wesentlichen anthropogen, also von Menschen gemacht ist. Die Idee einer anthropogenen globalen Erwärmung ist nicht neu, es gibt sie schon mindestens seit der Zeit der Aufklärung. Heute wird diese Hypothese jedoch auf breiter Front von der Klimaforschung gestützt.
In seiner „Bestandsaufnahme der historischen Friedensforschung" machte Wolfram Wette 1991 den Beginn des Atomzeitalters zum Ausgangspunkt seiner Uberlegungen. Wette konnte angesichts dieser historischen Zäsur feststellen, daß der Krieg seine Funktion als „legitimes und einigermaßen rationnal kalkulierbares Mittel der Politik" verloren habe. Zehn Jahre zuvor plädierte Andreas Herberg-Rothe für eine Militärgeschichte als Friedensforschung und tat dies „angesichts der drohenden Gefahr des Ausbruchs eines alles vernichtenden 3. Weltkrieges". Ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die Situation grundlegend geändert. Die Diskontmmtat der Geschichte, die die Zeitgenossen des Ost-West-Konflikts von der Epoche vor 1945 schied, ist spätestens mit den Kriegen im vormaligen Jugoslawien wieder aufgehoben. Die Negation des Krieges als politisches Leitmotiv der zu Ende gegangenen Nachkriegszeit hat ihren universellen Geltungsanspruch verl?ren. In der Diskussionen über Gewalt und Krieg nach dem Ende der bipolaren Zeitalters kommt vielmehr eine allgemeine Verunsicherung daruber zum Ausdruck, wo die Grenze zwischen unmoralischer Gewaltanwendung und ihrer ethischen Legitimierbarkeit verläuft. Der Soldat des dritten Jahrtausends definiert sich selbst in Deutschland nicht mehr ausschließlich als der bewaffnete Verteidiger des eigenen Landes. Wahrend die einen dies als die Rückkehr zur Normalität begrüßen, befürchten andere den Ruckfall in Großmachtpolitik und Militarisierung.
Few of Hannah Arendt’s declarations have had as enduringly a controversial legacy as the one she gave in her famous 1964 West German television conversation with Günter Gaus, proclaiming uncompromised loyalty to her first language – German – despite Hitler. The statement was misconstrued as a privileging of the language of the perpetrators and expressing a bias against Eastern European Jews. In conversation with the recent ›Taytsh turn‹ (Saul Zaritt) in Yiddish Studies, this article focuses instead on two Yiddish newspaper articles published by Arendt in 1942 and 1944 and explores what I call a ›Taytsh move‹ in Arendtʼs language politics. Taytsh, an alternative name for the Yiddish language meaning, literally, German, foregrounds (Jewish) cultures’ inherent translational mode and interconnectivity with the world that makes and sustains these cultures. Arendt reactivated the inherent unbordered nature of languages – with an awareness of the dangers of monolingualism; for the sake of overcoming reductive constructions of Jewishness and modern identity; against the atomizing forces of fascism.
I first came across Harlan Lane’s work towards the end of my PhD, which I was undertaking at University College London, UK. My dissertation was on the construction of ›difference‹ in the British Empire, particularly the differences ascribed to race and gender. Using nineteenth-century medical missionaries as a way in, I had started to think about differences evoked by health, disability, and the body. In particular, I noted the way in which missionaries used the language of disability as a discourse of racialisation. The African and Indian colonial subjects they encountered were described throughout missionary literature as ›deaf to the Word‹, ›blind to the light‹ and ›too lame‹ to walk alone. I have two d/Deaf cousins, one of whom is the sign language sociolinguist Nick Palfreyman, and around about this time Nick had started to familiarise me with some of the issues surrounding Deaf politics. Becoming interested and wanting to know more, I began to learn British Sign Language (BSL) and contemplate the connections between the historical work I was doing and contemporary struggles of Deaf politics and disability politics (I was particularly interested in DPAC – Disabled People Against Cuts – given the contemporary climate of austerity in the UK). As I did so I became acquainted with the work of Harlan Lane. Here, although acutely aware of my own positionality as a white, British, hearing woman, I have taken up the challenge set by the editors of this special issue to re-read his work twelve years on from my initial encounter with it, using the insights into postcolonial study I have gained through my historical work.
Für diese Debatte haben wir vier prominenten Vertreter*innen beider Disziplinen, der Rechts- und der Geschichtswissenschaft, schriftlich Fragen zur Situation, zum Potential und zu den Herausforderungen einer Zeitgeschichte des Rechts gestellt.
Wie verhält sich die Rechtsgeschichte zur »allgemeinen« Geschichtswissenschaft in Deutschland? Woher rührt das ausgeprägte disziplinäre Selbstbewusstsein der juristischen Rechtshistoriker*innen, und sollten Allgemeinhistoriker*innen dem etwas entgegensetzen? Worin sehen Sie die »großen Themen« und methodischen Trends der aktuellen rechtshistorischen Forschung, besonders der Juristischen Zeitgeschichte in der Bundesrepublik? Wieviel Theorie und Methodik braucht die Rechtsgeschichte? Wo sehen Sie Potential für neue Perspektiven, und inwieweit sollte eine zeitgemäße Rechtsgeschichte über den nationalen Rahmen hinausgehen? Welche Chancen, welche Grenzen sehen Sie für die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Jurist*innen und Historiker*innen?
In France, the culture of secrecy continues to dominate access policies. The acceptance of or resistance to this culture by various social actors, including government officials, civil servants such as archivists, historians, independent scholars, and journalists, partly explains the historical tension between advocates of a more restrictive or liberal policy of access to government records deemed ‘sensitive’. Unlike the American case with its long-established right to access, in France, access to information is just starting to be considered a citizen’s right. Initial reactions to the first version of my book (1994) sparked a rather violent debate. In the controversy, most of the archivists and some influential historians either denied or justified the difficulty of accessing so-called ‘sensitive archives’. Indeed, thanks to the ‘invisibility’ of this question until then, a book dedicated to the ‘Vichy Syndrome’, which had been published some years before, did not even mention this problem as evidence of France’s difficulties in facing the past.
Dieser Text ist eine Verschriftlichung des Eingangsstatements von Sebastian Conrad bei der Diskussionsreihe "Geschichtliche Grundfragen". Die von Rüdiger Graf (ZZF), Matthias Pohlig (HUB) und Ulrike Schaper (FU Berlin) initiierte Veranstaltung fand im Winter- und Sommersemester 2021/22 im Online-Format statt. Zeitgeschichte|online veröffentlicht die Eingangsstatements der Veranstaltung in einem Dossier. Die Vorträge wurden bis auf wenige Ausnahmen von der Audioaufnahme transkribiert und überarbeitet, dabei wurde Wert darauf gelegt, die rein sprachliche Form der Statements beizubehalten.
In der Auseinandersetzung über medienspezifische Vorgehensweisen gehört Sanders Portraitwerk zu den viel zitierten fotografischen Arbeiten. Mit der im Jahr 2002 von der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur herausgegebenen siebenbändigen Neuauflage des Werkes, das zunächst in einem Symposium und einem begleitenden Studienband eingehend reflektiert wurde, konnte eine neue Diskussionsgrundlage geschaffen werden.1 Beide Publikationen sowie die hierzu konzipierte Wanderausstellung, die zuletzt im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen war, argumentieren nah an Sanders überlieferten Gedanken zur Strukturierung und inhaltlichen Konzeption seines Portraitwerkes, das nachfolgend in der chronologischen Entwicklung erörtert wird.
Die Transformationsprozesse im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts waren begleitet von einem tiefgehenden Wandel des Sicherheitsverständnisses. Das Vertrauen in die sicherheitsstiftende Funktion des Staates schwand, und neue Krisendiskurse entstanden. Der Aufsatz untersucht dies am Beispiel der NATO-Nachrüstung und der Friedensbewegung in der Bundesrepublik Deutschland um 1980. In der damaligen Auseinandersetzung spiegelt sich ein scharfer Streit über das Verständnis von Sicherheit. Darüber hinaus artikulierte sich in der Kritik der Friedensbewegung am System der nuklearen Abschreckung ein massives Unbehagen an jener technisch-industriellen Modernität, die sich seit dem späten 19. Jahrhundert ausgeformt hatte. Daher ist die „nukleare Krise“ der Zeit um 1980 auch als eine Modernitätskrise zu verstehen. Absolute Sicherheit kann es in der Moderne nicht geben; sie bleibt ein letztlich unerreichbares Ziel – eine Utopie. Gleichwohl entzog der Protest der Friedensbewegung – nicht nur in der Bundesrepublik – der nuklearen Abschreckung ihre politische und moralische Legitimität. Trotz der 1983 durchgesetzten Nachrüstung war die frühere Akzeptanz der Abschreckung in der Endphase des Kalten Kriegs nicht wiederherzustellen.
Was ist Sicherheit und wie viel braucht ein Mensch davon, um sich in seiner Welt heimisch zu fühlen? Eckart Conze skizziert das rückwärtsgewandte Sicherheitsstreben in der Ära Adenauer, den optimistischen Glauben an die Sicherheit von Fortschritt und Wachstum in den sechziger und frühen siebziger Jahren, das folgende Jahrzehnt der „Inneren Sicherheit" und schließlich die internationale Sicherheitspolitik. Dabei entwickelt er ein neues Konzept einer „modernen Politikgeschichte" der Bundesrepublik Deutschland, die mit „Sicherheit" als analytischem Leitbegriff sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Ansätze ebenso zu integrieren vermag wie das Potential der Kulturgeschichte und der Geschichte transnationaler Beziehungen, von der in den letzten Jahren viele fruchtbare Ansätze ausgegangen sind.
Innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft hatte es Politikgeschichte - ein überaus schillernder, selten genau bestimmter Begriff - seit Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre schwer. Politikhistoriker genannt zu werden, am besten noch mit dem Etikett „neorankeanisch“ versehen, war eine Brandmarke, gleichbedeutend mit den Attributen konservativ, traditionell, positivistisch oder ereignisgeschichtlich, entscheidungs- und handlungsfixiert, um nur einige zu nennen. Gesellschaftshistoriker waren demgegenüber - zumindest sahen sie selbst das so - progressiv, emanzipatorisch, aufklärerisch, theoriebewusst, Struktur- und prozessorientiert. Man mag dieses Schwarz-Weiß-Bild für Schnee von gestern halten, für oberflächlich politisch oder ganz einfach für unseriös. Doch es hat für rund zwei Jahrzehnte seine Wirkung entfaltet, die vor allem darin bestand, dass das Denken in schlichten Lagerkategorien die interne Dialogfähigkeit der deutschen Geschichtswissenschaft zerstörte und zur Herausbildung und weitgehend unverbundenen Koexistenz zweier historiographischer Kulturen führte.
Albert Gehring, ein 1897 geborener Einwohner des Ortes Ditzingen, setzte in den 1920er- und 1930er-Jahren das Kleinstadtleben seiner schwäbischen Heimat ins Bild. Besonders häufig findet sich im Konvolut von rund 1.000 Glasplattennegativen das Motiv des Festumzuges und damit eines Elements von Festkultur, welches oft als die Grundform nationalsozialistischen Kultes und als erfolgreiches Mobilisierungsinstrument beschrieben worden ist. Gehrings Fotografien ermöglichen am lokalen Beispiel eine differenzierte Perspektive auf die Aushandlungs- und Aneignungsprozesse in der Praxis der Festumzüge. Haben sich die äußere Form der Umzüge, ihre Symbolik und Choreographie – also das, was sie zu vermitteln suchten – mit der nationalsozialistischen Machteroberung von 1933 verändert? Und ging mit diesem möglichen Wandel auch eine veränderte Visualisierung durch Albert Gehring einher? Im Fokus stehen damit fotografische Positionen zu der sich wandelnden Festpraxis des Umzuges: Die Ordnung des Bildes wird in ein Verhältnis zur Ordnung des Festes gesetzt, um Erkenntnisse über die Rolle von Fotografie in Prozessen von Mobilisierung und Partizipation an der Schwelle zur NS-Diktatur zu erlangen.
Nach einer langen Unterbrechung kehrte die „Geschichte Europas“ im Zweiten Weltkrieg mit Macht auf die Agenda der internationalen Geschichtsschreibung zurück. Erste Anzeichen hierfür hatte es bereits in der krisenhaften Zuspitzung der 1930er-Jahre gegeben. Nicht aber die Historiographie, sondern die Propaganda im weitesten Sinne bestimmte zunächst die Richtung. Als deutungsmächtig erwies sich in Großbritannien insbesondere die Stimme Robert Vansittarts, des ehemaligen beamteten Unterstaatssekretärs im britischen Außenministerium, der seit 1940 über den britischen Rundfunk ein düsteres Gesamtbild der deutschen Vergangenheit zeichnete. In sechs Radiosendungen mit dem Titel „Black Record“ listete er eine Geschichte der deutschen Aggressionen seit den Tagen des Tacitus auf.
Manche Bücher sollte man besser vom Ende her lesen, lässt sich doch so ihr archimedischer Fluchtpunkt rasch entdecken. Gewiss, für Kriminalromane empfiehlt sich eine solche Lesart nicht, wohl aber für diesen Essay-Band Hans Magnus Enzensbergers. Darin schließt der Autor seine Reiseberichte aus sieben Ländern mit einem »Epilog« ab, in dem ein fiktiver amerikanischer Journalist namens Timothy Taylor im Jahr 2006 den ebenfalls fiktiven finnischen EG-Präsidenten Erkki Rintala interviewt, der von seinem Amt freiwillig zurückgetreten ist, nachdem er wegen seiner Erfahrungen in den Korridoren der Brüsseler Politik zu einem Gegner der europäischen Integration geworden war.
Obwohl der Begriff „Erinnerungskultur” erst seit den 1990er-Jahren Einzug in die Wissenschaftssprache gefunden hat, ist er inzwischen ein Leitbegriff der modernen Kulturgeschichtsforschung. Während er in einem engen Begriffsverständnis als lockerer Sammelbegriff „für die Gesamtheit des nicht spezifisch wissenschaftlichen Gebrauchs der Geschichte in der Öffentlichkeit – mit den verschiedensten Mitteln und für die verschiedensten Zwecke” definiert wird, erscheint es aufgrund der Forschungsentwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte insgesamt sinnvoller, „Erinnerungskultur” als einen formalen Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse zu verstehen, seien sie ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0) Obwohl der Begriff „Erinnerungskultur" erst seit den 1990er-Jahren Einzug in die Wissenschaftssprache gefunden hat, ist er inzwischen ein Leitbegriff der modernen Kulturgeschichtsforschung.[1] Während er in einem engen Begriffsverständnis als lockerer Sammelbegriff „für die Gesamtheit des nicht spezifisch wissenschaftlichen Gebrauchs der Geschichte in der Öffentlichkeit – mit den verschiedensten Mitteln und für die verschiedensten Zwecke" definiert wird,[2] erscheint es aufgrund der Forschungsentwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte insgesamt sinnvoller, „Erinnerungskultur" als einen formalen Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse zu verstehen, seien sie ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur. Der Begriff umschließt mithin neben Formen des ahistorischen oder sogar antihistorischen kollektiven Gedächtnisses alle anderen Repräsentationsmodi von Geschichte, darunter den geschichtswissenschaftlichen Diskurs sowie die nur „privaten" Erinnerungen, jedenfalls soweit sie in der Öffentlichkeit Spuren hinterlassen haben. Als Träger dieser Kultur treten Individuen, soziale Gruppen oder sogar Nationen in Erscheinung, teilweise in Übereinstimmung miteinander, teilweise aber auch in einem konfliktreichen Gegeneinander.
After a seven-year period of military dictatorship and following the reestablishment of parliamentary democracy in 1974, historical studies have been a continuously developing field in Greece. Similarly as in Spain and Portugal at much the same time, archives became accessible for academic historians. The general public’s expectations about the establishment of historical ‘truth’ concerning the recent past were pressing.1 It is against this backdrop that we propose to review the changing conditions of historical research and especially the challenges involved in gaining access to primary sources, in particular those related to ‘national matters’. We will try to show the ways in which the particularities of the Greek case have to do with the history of civil rights in the country in the twentieth century, both during the interwar years and – more dramatically – during the Cold War period.
In den 1990er-Jahren ist das Interesse am Ersten Weltkrieg nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch seitens populärer Geschichtsdarstellungen enorm gestiegen – ein Trend, der bis in die jüngste Vergangenheit angehalten hat. So erlebte das Jahr 2014 eine Vielzahl von Publikationen, Diskussionen, Ausstellungen und Fernsehsendungen zum Thema. Dabei fällt es auch Fachleuten schwer, angesichts des historischen Groß- und Medienereignisses die Übersicht zu behalten. Um diesem mannigfaltigen medialen Angebot ein wissenschaftlich fundiertes Überblicksportal an die Seite zu stellen, wurde im Oktober 2014 die Website »1914-1918-online. International Encyclopedia of the First World War« freigeschaltet, die seither stetig erweitert wird. Um es vorwegzunehmen: Sie besticht durch eine Fülle an erhellenden und thematisch neuen Artikeln zum Ersten Weltkrieg. Mit einer dezidiert globalen Perspektive und verschiedenen Zugriffen (inhaltlich, zeitlich, regional) bietet sie nicht nur gezielte Rechercheoptionen, sondern lädt bewusst zum Stöbern und Lesen ein. Dabei weist das Portal eine sinnvolle und nachvollziehbare Systematik auf.
Wandel der Sicherheitskultur
(2010)
Mehr als 65 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki haben wir uns an das gewöhnt, was wir gemeinhin als das „nukleare Tabu“ bezeichnen. Kernwaffen, so lautet seit dem Ost-West-Konflikt das Mantra, sind politische Waffen, die der Abschreckung dienen, jedoch nicht eingesetzt werden. Doch können wir uns wirklich so sicher sein? Wissen wir überhaupt, ob Abschreckung im Kalten Krieg funktioniert hat, und wenn ja, war nicht auch sehr viel Glück im Spiel?
Modern Societies and Collective Violence: The Framework of Interdisciplinary Genocide Studies
(2005)
If discussions on the topicality of research regarding processes of state violence and genocide arc still necessary today, does this not imply that we have failed with respect to a decisive challenge raised by National Socialism, namely the imperative to ensure that such atrocities are not repeated, the commitment to a "never again"?
Jeder Kontinent, jedes Land hat seine eigenen Schwerpunkte umwelthistorischer Forschung, die sich aus der Quellenlage, den Forschungstraditionen und dem jeweiligen Charakter der Umwelt ergeben. Die amerikanische Forschung leistete für die Umweltgeschichte Pionierarbeit. Seit über vier Jahrzehnten geben ihre Werke wichtige Impulse für die Entwicklung dieses Teilgebiets der Geschichtswissenschaft in anderen Regionen der Welt. Dies gilt auch für China, das zwar auf eine jahrhundertealte Tradition staatlichen Umweltmanagements zurückblickt, wo sich eine umwelthistorische Forschung aber noch in der Aufbauphase befindet. Zur fachlichen Spezialisierung kam es erst, als sich die realen Umweltprobleme nicht mehr leugnen ließen und die Staatsführung die Bedeutung von Umweltpolitik erkannte. Chinas Historiker wandten sich Umweltfragen zu einem Zeitpunkt zu, als sich das Land verstärkt in globale Strukturen integrierte und auch auf wissenschaftlicher Ebene zunehmend globalgeschichtliche Fragen diskutiert wurden. Anders als in der Umweltgeschichte gab es bei der Globalgeschichte einen Vorläufer: eine bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ansätzen erkennbare Weltgeschichtsschreibung, die sich allerdings auf die Beziehungen zwischen und den Vergleich von Nationalstaaten beschränkte. Wichtige Impulse für die Weiterentwicklung zur Globalgeschichte erfolgten – wie bei der Umweltgeschichte – erst im Kontext von Chinas Globalisierung am Ende des 20. Jahrhunderts.
Keine Stunde Null. Sozialwissenschaftliche Expertise und die amerikanischen Lehren des Luftkrieges
(2020)
Alle Kriegsparteien bombardierten im Zweiten Weltkrieg Ziele, die lange Zeit als zivil gegolten hatten. Diese sogenannten strategischen Bombardierungen wurden im Auftrag der US-Regierung ab dem Kriegsende mit einem Stab von über 1.000 Mitarbeitern in Deutschland und Japan aufwendig evaluiert (United States Strategic Bombing Survey, USSBS). Mithilfe ambitionierter Sozialwissenschaftler gelang es der jungen US Air Force, den strategischen Luftkrieg als militärisch und psychologisch entscheidend darzustellen, und so taten sich für die Luftkriegsexperten auch nach 1945 attraktive neue Beschäftigungsfelder auf. Die Wissenschaftler argumentierten, sie seien in der Lage, methodisch abgesichert einen schnellen und vermeintlich »sauberen« Krieg aus der Luft zu planen. Der Aufsatz stellt die bisher kaum erforschten Logiken und Folgen dieser Kooperation sowie die behaupteten Lehren des Weltkrieges für den Korea- und den Vietnamkrieg dar. Damit hinterfragt er das gängige Verständnis einer radikalen Zäsur, die der erste Einsatz der Atombombe mit sich gebracht habe, und plädiert für einen neuen Blick auf die Militär-, Gewalt- und Wissensgeschichte des »Kalten Krieges«.
Für eine junge Generation, die an der Schwelle zu einem neuen Millennium ins Erwachsenenalter eingetreten ist, dürfte es mittlerweile kaum noch nachzuvollziehen sein, wie fraglos das tägliche Leben weiter Teile der Bevölkerung in den frühen Jahren der Bundesrepublik Deutschland noch mit einer religiösen Praxis verflochten war, die maßgeblich von den großen Volkskirchen geprägt und geleitet wurde. Konfessionslosigkeit war in den meisten Regionen Westdeutschlands ein misstrauisch beäugtes Ausnahmephänomen, kirchliche Riten von der Geburt bis zur Beerdigung weithin ebenso selbstverständlich wie in vielen Bundesländern eine konfessionell geprägte staatliche Volkschule, die von der großen Mehrheit der Kinder und Jugendlichen besucht wurde. Die Konfession strukturierte auch das politische Leben in erheblichem Maße, und namentlich die katholische Kirche zögerte nicht, den zahlreichen Gläubigen an den Wahlsonntagen deutlich zu machen, wo das Kreuzchen zu setzen war.
Dieser Text ist eine Verschriftlichung des Eingangsstatement von Ute Daniel bei der Diskussionsreihe "Geschichtliche Grundfragen". Die von Rüdiger Graf (ZZF), Matthias Pohlig (HUB) und Ulrike Schaper (FU Berlin) initiierte Veranstaltung fand im Winter- und Sommersemester 2021/22 im online-Format statt. Zeitgeschichte|online veröffentlicht die Eingangsstatements der Veranstaltung in einem Dossier. Die Vorträge wurden bis auf wenige Ausnahmen von der Audioaufnahme transkribiert und überarbeitet, dabei wurde Wert darauf gelegt, die rein sprachliche Form der Statements beizubehalten.
Seit 2004 ist in Berlin vielfach die Einrichtung eines speziellen Museums zur Geschichte des Kalten Krieges gefordert worden. Auslöser war ein Projekt Alexandra Hildebrandts, der Leiterin des Mauermuseums/Haus am Checkpoint Charlie. Auf einer Freifläche neben dem Grundstück des Mauermuseums eröffnete sie am 31. Oktober 2004 ein privates Denkmal. Es bestand aus einem aus Originalteilen neu zusammengesetzten Stück der Berliner Mauer und 1.065 Holzkreuzen. Die Kreuze waren überwiegend mit Namen und Fotografien versehen und sollten an diejenigen erinnern, die infolge der deutschen Teilung zu Tode gekommen waren. Im Juli 2005 wurde das Areal von der Polizei zwangsgeräumt, da Hildebrandt die Pacht für das Grundstück nicht mehr bezahlen konnte. In der publizistischen Debatte, die diese Aktion begleitete, ging es zunächst einmal um die genaue Zahl der Mauertoten und um angemessene Formen des Gedenkens an die Opfer der deutschen Teilung, mittelbar aber auch um die historische Bewertung der Rolle Berlins im Kalten Krieg. Der Streit über die Umsetzung eines fachlich fundierten Erinnerungskonzepts am Checkpoint Charlie und somit über die Deutungshoheit im Hinblick auf den Kalten Krieg entbrannte zwischen Pressevertretern unterschiedlicher politischer Lager, der Berliner Landespolitik und engagierten Wissenschaftlern – ein klassischer geschichtspolitischer Konflikt.
The centennial of the outbreak of World War I in the summer of 1914 has already produced a wave of new books, exhibitions, documentaries, films, articles, websites, and research projects on the war and will continue to do so over the course of the next years, at least until the centenary of the armistice in 2018. One might witness this rising tide with mixed feelings: the arbitrariness of anniversaries and the ambivalent suggestive power of round numbers are a topic which merits reflection in and of its own. But the First World War has continued to be of lasting and even growing interest for historians over the past decades independently of anniversaries. Jay Winter and Antoine Prost have noted that the number of volumes that were catalogued in the British Library under the rubric of ›The World War, 1914 to 1918‹ quadrupled between 1980 and 2001, and Roger Chickering gathered further evidence for the ›enduring charm of the Great War‹ in 2011. At the same time, these last decades have witnessed a number of methodological shifts and changes within the historical profession, which also affected the study of the First World War. The centennial might therefore be a good opportunity for taking stock of the current state of affairs in World War I studies and for pondering their possible future directions. This is why our journal has decided to contribute to the rising tide of World War I publications with a roundtable discussion.
Der koloniale Blick auf Osteuropa. Der Auftritt von Harald Welzer als Symptom deutscher Schieflagen
(2024)
Am 8. Mai 2022 war in der Talkshow von Anne Will der Krieg Russlands gegen die Ukraine Thema. Die Gäste waren der Generalsekretär der SPD Kevin Kühnert, der ehemalige CDU-Politiker Ruprecht Polenz, der Botschafter der Ukraine in Deutschland Andrij Melnyk, die Fraktionsvorsitzende der Grünen Britta Haßelmann sowie der Soziologe/Sozialpsychologe Harald Welzer. Jede Einladungsliste einer Talkshow folgt einer bestimmten Logik: Es sollen konträre Positionen aufeinandertreffen und Repräsentant:innen aus Medien, Gesellschaft und Politik und (manchmal) der Wissenschaft vertreten sein. Auf den ersten Blick könnte man also sagen, dass diese Runde durchaus gut gewählt war mit Stimmen bei denen es absehbar war, dass die Debatte kontrovers werden würde. Tatsächlich aber war die Rollenzuweisung Welzers von vorneherein problematisch: Er ist zwar zweifelsohne ein ausgewiesener Wissenschaftler, der mit "Opa war kein Nazi" auch für die Geschichtswissenschaft ein wichtiges Buch vorgelegt hatte, Osteuropa-Expertise besitzt Welzer hingegen nicht.
Didaktik der Geschichte
(2014)
Der weit verbreiteten Meinung, die Zuständigkeit der Geschichtsdidaktik sei nur in der Reflexion des Geschichtsunterrichts zu suchen, widerspricht Lars Deile in seinem Beitrag vehement. Überall dort, wo Vergangenheit als Geschichte in die Gegenwart hineinwirkt, liegen didaktische Entscheidungen zugrunde und muss didaktisch reflektiert werden. Didaktik sucht nach Wegen der Vergegenwärtigung von Vergangenheit, und sie befragt diese nach ihrer sinnhaften Begründung. Wie genau das geschieht, mit welchen Tendenzen und Konflikten, zeigt sein Artikel auf Docupedia.
Es gehört zum Konsens der Historiografie des 20. Jahrhunderts, Berlin als komplexen symbolischen Ort der deutschen Geschichte zu charakterisieren. Die Perspektive auf Berlin als widersprüchlicher Kulminationspunkt der Moderne ist genauso etabliert wie die Sichtweise auf die Metropole als »Symbol« der Ost-West-Konfrontation. Die symbolische Vielschichtigkeit, die die Geschichtswissenschaft Berlin attestiert, lässt sich exemplarisch in den viel beachteten »Deutschen Erinnerungsorten« beobachten. Während es den Herausgebern gelang, Dresden (Heimat), Heidelberg (Romantik), Weimar (Dichter und Denker) oder Karlsruhe (Recht) jeweils auf eine Zuschreibung zu konzentrieren, scheint dies für Berlin offenbar nicht möglich gewesen zu sein. Unter sechs von insgesamt 18 Oberkategorien finden sich Artikel zu Berliner Orten und Institutionen: Führerbunker und Reichstag (Reich), Mauer (Zerrissenheit), Brandenburger Tor (Revolution), Freiheitsglocke (Freiheit), Palast der Republik (Moderne), Museumsinsel und Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (Bildung).
In den heutigen »wissens- und technologieintensiven« Zeiten, so könnte man annehmen, drehen sich Wirtschaft und Gesellschaft immer mehr um Immaterielles. Manche hoffen sogar, dass diese post-industrielle Revolution der Weltwirtschaft den Schub geben wird, den sie braucht, um weiterhin auf einem Wachstumspfad zu bleiben und – dieses kleine Detail bleibt oft unerwähnt – weiterhin eine asymmetrische Verteilung von Produktivität und Einkommen sicherzustellen. Warum sollte sich also ein Themenheft der »Zeithistorischen Forschungen« ausgerechnet jetzt mit dem »Wert der Dinge« beschäftigen, wo diese doch gerade zusammen mit der industriellen Produktion an Bedeutung zu verlieren scheinen? Gewählt haben wir dieses Thema nicht primär aufgrund der Konjunktur, welche die dinglichen Dimensionen der Vergangenheit momentan in der Geschichtswissenschaft genießen, sondern eben aufgrund der Rede vom Bedeutungsverlust des Materiellen. Sie macht es notwendig, den vermeintlichen Gegensatz zwischen Dingen und Menschen oder zwischen Stoffen und Gedanken neu zu fassen.
Queuing as a quintessential experience of Soviet everyday life: hardly any other motif has shaped our images of the late Soviet Union as much as the long lines of people persevering in front of shops and grocery stores. Besides hopes of purchasing essential and rare goods, the social aspect of this practice was also important, as exemplified by Vladimir Sorokin’s 1983 novel “The Queue” surrealistically exploring interactions of people queuing for an unknown commodity, or Olga Grushin’s 2010 book “The Line”, which unfolds a Soviet family’s everyday longings, hopes and obsessions based on rumours about a concert by a famous exiled composer, and a street kiosk that may or may not have tickets on sale.
Nach 1989/90 wurde kriegerische Gewalt innerhalb Europas auf neue Weise zum Thema und gerade auch für Intellektuelle zu einer unerwarteten Herausforderung. Die Diskussion unter deutschsprachigen Schriftstellern über den Krieg im ehemaligen Jugoslawien war hauptsächlich eine Debatte um Peter Handke. Sie fungierte als eine Art Stellvertreterdebatte, während engagierte politische Interventionen deutscher Literaten meist ausblieben. In seinen kontroversen Texten seit 1996 versuchte Handke einen ‚dritten‘ Standpunkt jenseits der zweiwertigen Logik des politischen Diskurses in den Medien zur Geltung zu bringen. Dennoch tendierte sein ‚poetischer‘ Blick auf Serbien zunehmend zur politischen Parteinahme, wie etwa seine Annäherung an den in Den Haag angeklagten serbischen Präsidenten Miloševic zeigt. Obwohl seine Sprache eine Alternative zum ‚herrschenden‘ medialen Diskurs suchte, wurde sie wie die Figur ‚Peter Handke‘ letztlich von den Regeln der politischen Öffentlichkeit absorbiert.
Christliches Abendland gegen Pluralismus und Moderne. Die Europa-Konzeption von Christopher Dawson
(2012)
Der englische Kulturhistoriker Christopher Dawson (1889–1970) bewegte sich im Laufe seiner Karriere eher am Rande der institutionellen akademischen Welt. Genau genommen kam Dawson erst 1958 zu akademischen Ehren, als er auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Römisch-Katholische Theologische Studien der Universität Harvard berufen wurde. Dennoch ist Dawsons früheres Werk auch heute noch populär. Insbesondere im katholisch-intellektuellen Milieu bzw. im katholisch geprägten geisteswissenschaftlichen und theologischen Kontext wird Dawson rege rezipiert. Der eigentliche Grund, sein Werk „neu“ zu lesen, liegt an dieser Stelle jedoch in Dawsons Bedeutung für eine Tradition antiliberaler Europa-Konzeption, die in der Zwischenkriegszeit entwickelt, unter anderen Vorzeichen aber auch in der Nachkriegszeit wirkungsmächtig wurde. Dawsons geschichtsphilosophischer Ansatz bestand in einer Fundamentalkritik der europäischen Aufklärung und in der Herleitung Europas über das abendländische Mittelalter, dessen Beitrag zur europäischen Zivilisation er der modernen nationalstaatlichen Entwicklung entgegenhielt. Zentral für Dawsons Werk und sein Wirken war die historische Konstruktion abendländischer Kultureinheit in seinem wohl bekanntesten Buch: „The Making of Europe“ von 1932.