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(Version 2.0, siehe auch Version 1.0) The field of Migration History looks at both ends of human mobility and the complex and diverse processes of migration. In her article Barbara Lüthi defines human migration, which can be either international or internal, and gives a short overview of the history of migration in the 20th century. After a discussion of the approaches and perspectives on the research field Lüthi closes with an examination of the current topics in Migration History: refugees and so-called illegal migrants.
»Im Zentrum dieser Untersuchung stehen Verhaltensweisen, die man als typisch für die abendländisch zivilisierten Menschen ansieht. Die Frage, die sie uns aufgeben, ist einfach genug. Die Menschen des Abendlandes haben sich nicht von jeher in der Weise verhalten, die wir heute als typisch für sie und als Kennzeichen des ›zivilisierten‹ Menschen anzusehen pflegen. […] Wie ging eigentlich diese Veränderung, diese ›Zivilisation‹ im Abendlande vor sich? Worin bestand sie? Und welches waren ihre Antriebe, ihre Ursachen oder Motoren?« (Bd. 1, S. LXXI-LXXII) So beginnt Norbert Elias’ 1939 erstmals veröffentlichte Arbeit »Über den Prozeß der Zivilisation«. Bis heute zählt sie zu den am meisten rezipierten Studien, die die deutschsprachige Soziologie je hervorgebracht hat. Während die Erstveröffentlichung – bedingt nicht zuletzt durch die politische Situation in Europa – kaum Beachtung fand, begann mit der ersten Taschenbuchausgabe von 1976 eine Debatte, die das Werk nicht nur über die Grenzen der Soziologie hinaus, sondern auch jenseits des Elfenbeinturms der Wissenschaften bekannt gemacht hat. Sucht man nach den Gründen für die anhaltende Popularität und Strahlkraft des Werks, lassen sich zwei Motive identifizieren. Zunächst ist zu konstatieren, dass Elias auf die von ihm gestellten Fragen eine empirisch gesättigte, theoretisch innovative und methodologisch anregende Antwort entwickelte. Ein Grund liegt also zweifellos in der wissenschaftlichen Originalität des Werks. Ausschlaggebend für den langfristigen Erfolg des Buches auch außerhalb der Soziologie und sogar außerhalb der Wissenschaft scheint jedoch ein zweiter Grund zu sein: Die Studie liefert eine historisch-soziologische Fundierung eines zentralen Elements der Selbstbeschreibung moderner Gesellschaften, indem sie die Vorstellung einer zunehmenden Gewaltlosigkeit der Moderne stützt. Während es sich beim ersten Grund um einen im engeren Sinne wissenschaftlichen handelt, stellt der zweite das Werk in den Horizont moderner Selbstbefragungs- und Selbstvergewisserungsdiskurse.
Das seit April 2017 laufende Dissertationsprojekt untersucht den sich wandelnden Medieneinsatz und Stellenwert von Visualisierungen in lokalen Stadtplanungsdebatten der Berliner Öffentlichkeit im Laufe des 20. Jahrhunderts. In der sozial- und medienhistoriografischen Arbeit werden anhand ausgewählter Beispiele der Berliner Bebauungsgeschichte aus verschiedenen Zeitphasen (zwischen1910 und 1990) schlaglichtartig zeitgenössische Schnittpunkte zwischen Stadtplanung, Gesellschaft, Öffentlichkeit sowie Medientechnologie und -einsatz erforscht. Um die historischen Prozesse von Mediatisierung und Medienwandel einzuordnen, sollen die Erkenntnisse zu Nutzung und Stellenwert von visuellen Medien aus den Fallbeispielen in Form einer diachronen Vergleichsgeschichte systematisch kontextualisiert werden.
Während des Zweiten Weltkrieges flüchteten etwa 150.000 Europäer vor Krieg und Besatzung nach Großbritannien. Unter ihnen waren Angehörige der vormaligen europäischen Regierungen, Verwaltungen, politischen Eliten, Militärs und Königshäuser. Aus ihren Reihen bildeten sich Nationalkomitees und Exilregierungen, die die nationale Souveränität ihrer Länder trotz deutscher Besatzung aufrechterhalten und als Alliierte für einen gemeinsamen Sieg über Hitler eintreten wollten. Im Zentrum Londons lebten und arbeiteten sie in enger Nachbarschaft. Rechtlich betrachtet erreichten die Mitglieder der Exilregierungen London meist als individuelle Flüchtlinge; sie verließen die Stadt überwiegend als Angehörige anerkannter Regierungen. Eine genauere Untersuchung des »London Moment«, dieser formativen Phase europäischer Politik, bricht den vermeintlichen Gegensatz zwischen Macht und Ohnmacht auf und trägt so zur Reflexion über Flucht und Flüchtende bei. Der Aufsatz erläutert die Entwicklung des rechtlichen Status der Exilanten und folgt vier Fallbeispielen von der Ankunft zur Etablierung in London.
Oft wird behauptet, der Prager Frühling sei nicht durch die Parteiführung von oben in Gang gesetzt worden, sondern durch die Intellektuellen des Landes, also eher von unten. Anders als in Ungarn 1956, in Polen 1980-81 oder die Perestroika in der UdSSR seit Mitte der 1980er Jahre, so die These, sei der Prager Frühling durch kritische WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen initiiert worden. Es ist wichtig, dieses Narrativ, nach dem es vor allem die kreativen Köpfe waren, die die Macht herausgefordert haben, in einem größeren Kontext zu betrachten.
Zwar wurde im Verlauf der stalinistischen Aufbauphase der 1950er Jahre in der Tschechoslowakei hauptsächlich die Arbeiterklasse gefördert, gleichzeitig verbesserten sich jedoch auch Status und materieller Wohlstand vieler Intellektueller, vor allem der SchriftstellerInnen.
Kompromissgeschichte, serviert auf dem "Tablet". Das Haus der europäischen Geschichte in Brüssel
(2018)
Im Mai 2017 wurde im Brüsseler Leopoldpark, im Zentrum des Europaviertels, das Haus der europäischen Geschichte eröffnet. Zehn Jahre nach seiner Initiierung durch den damaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, den deutschen CDU-Politiker Hans-Gert Pöttering, erwartet den Besucher eine Ausstellung, die als geradezu idealtypische Inkarnation EU-europäischer Kompromisslogik gedeutet werden kann. Seit Pötterings Idee, einen Ort zu schaffen, »der unsere Erinnerung an die europäische Geschichte und das europäische Einigungswerk gemeinsam pflegt und zugleich offen ist für die weitere Gestaltung der Identität Europas durch alle jetzigen und künftigen Bürger der Europäischen Union«, wurde über die inhaltliche wie gestalterische Ausrichtung des »Hauses« (das sich bewusst nicht als »Museum« bezeichnet) heftig debattiert.
Protagonisten der führenden Parteien in Katalonien mussten sich in den vergangenen Monaten allerlei Vorwürfe gefallen lassen. Die spanische Zentralregierung bezeichnete ihre Beschlüsse als offenen Rechtsbruch und Verstoß gegen die Verfassung. In der spanischen und der internationalen Presse war die Rede von einer gefährlichen Spaltung des ganzen Landes, die durch die katalanische Politik ausgelöst werde. Eines kann man den dortigen Akteuren jedoch nicht vorwerfen: Geschichtsvergessenheit. Diejenigen Personen, die sich selbst zur Unabhängigkeitsbewegung rechnen oder für eine größere politische Selbstständigkeit eintreten, bedienen sich gezielt der Geschichte als Rechtfertigungsmittel und Argumentationsressource. Das ist erst Anfang 2018 wieder deutlich geworden, als der abgesetzte katalanische Präsident Carles Puigdemont bei einer Tagung in Dänemark vom langen Schatten Francos sprach und damit auf das Verhalten der spanischen konservativen Volkspartei Partido Popular im Katalonienkonflikt anspielte. Die Instrumentalisierung der Geschichte ist für regionalistische oder nationalistische Bewegungen ein typisches Vorgehen. Zugleich macht dieser Sachverhalt klar, dass ein Beitrag, der die aktuellen Ereignisse in Katalonien aus zeithistorischer Perspektive zu deuten versucht, möglicherweise selbst Gefahr läuft, solche Narrative zu reproduzieren oder zu stärken. Dass Geschichte in dem Konflikt als Mittel der Auseinandersetzung dient, stellt Historiker/innen vor die Herausforderung, die Argumente der Akteure einerseits zu prüfen und andererseits einen eigenen Erklärungsansatz zu liefern.
Anlässlich des 80. Geburtstages von Franz Kafka hatte vom 27. bis 29. Mai 1963 im barocken Schloss von Liblice die inzwischen legendäre Kafka-Konferenz unter der Federführung von Eduard Goldstücker und seiner Prager Germanistenkollegen stattgefunden. Ein Jahr danach, im Sommer 1964 berichtete der Budapester Korrespondent der Associated Press über die kulturpolitische Situation in den osteuropäischen Ländern. Unter dem Titel „Wer wird sich schon vor Kafka fürchten?“ diagnostizierte der Autor ein „kulturpolitisches Tauwetter“, das insbesondere in Ungarn, der Tschechoslowakei und Polen zu spüren sei.
Der Massenmord an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg gehört heute zu den am gründlichsten erforschten Themen der Neueren Geschichte. Vor der Publikation von Raul Hilbergs Dissertation »The Destruction of the European Jews« aus dem Jahr 1954, die erst 1961 im Druck erschien und noch heute zu Recht als Standardwerk der Holocaust-Forschung gilt, fehlte es zwar nicht an Untersuchungen zum Thema, doch waren diese zunächst ganz überwiegend aus einer nationalgeschichtlichen Perspektive verfasst und deckten daher immer nur Teilbereiche des Gesamtphänomens ab. Zu den wenigen Ausnahmen im deutschen Sprachraum, die früh die politischen Aspekte des Völkermordes in Südosteuropa analysierten und damit nachdrücklich auf dessen europäische Dimension aufmerksam machten, gehörte eine heute vergessene juristische Doktorarbeit, die im akademischen Jahr 1957/58 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a.M. angefertigt wurde.
Jugendorganisationen
(2018)
Hitlerjugend, Komsomol, Boy Scouts – keine Großerzählung zum 20. Jahrhundert kommt ohne diese millionenstarken Jugendverbände aus. Für die einen bedeuten Jugendorganisationen Spiel, Spaß und Abenteuer, für die anderen straffe Hierarchien und politische Indoktrination. Ungeachtet dieser Stereotypen ist es der historischen Forschung gelungen, ein differenziertes Bild dieser pädagogischen Innovation zu zeichnen. Der Beitrag stellt die wichtigsten Etappen der Forschungsdiskussion vor und zeigt, welchen Erkenntnisgewinn die Beschäftigung mit Jugendorganisationen für zentrale Arbeitsfelder der Zeitgeschichte haben kann.
Jenseits von Brutalisierung oder Zivilisierung. Schule und Gewalt in der Bundesrepublik (1970–2000)
(2018)
Gewalt an Schulen wird regelmäßig skandalisiert und erscheint oftmals als Symptom einer allgemeinen Verrohung von Gesellschaft. Demgegenüber haben viele Historiker/innen gerade die Schule in das Zentrum einer Zivilisierungsgeschichte der westdeutschen Gesellschaft seit 1945 gestellt. Der Beitrag nimmt diesen Deutungswiderspruch zum Ausgangspunkt einer Analyse schulischer Gewalt zwischen den frühen 1970er-Jahren und der Jahrtausendwende. Vorgeschlagen wird eine neue Lesart, die den Gegensatz der konkurrierenden Thesen von Gewaltzunahme und Gewaltabnahme aufhebt und stattdessen die sich wandelnden Vorstellungen dessen untersucht, was »Gewalt« eigentlich sei und wie sie überwunden werden könne. Seit den 1970er-Jahren mehrten sich die Arten von Gewalt, die mit Schule in Verbindung gebracht wurden. Eine Sensibilisierung gegenüber sehr unterschiedlichen Gewaltphänomenen war verbunden mit neuen Ansprüchen an Schule und schulische Kommunikation – Erwartungen, die von Lehrer/innen und Eltern als Fortschritt erfahren werden konnten, aber auch als Zumutung und Überforderung.
Jenseits des Integrationsparadigmas? Aktuelle Konzepte und Ansätze in der Migrationsforschung
(2018)
Nicht erst seit dem »langen Sommer der Migration« 2015 spielen Flucht und Zuwanderung in Politik und Wissenschaft eine zentrale Rolle. Der Migrations-
forschung kommt dabei die Aufgabe zu, das über Migration zirkulierende Wissen – zu dem sie maßgeblich beiträgt – kritisch zu reflektieren. Wie auch in anderen Ländern zeichnete sich die Migrationsforschung in der Bundesrepublik lange Zeit durch ihre starke Policy-Nähe aus. Sie hat sich in der Bundesrepublik seit den frühen 1970er-Jahren dem »Ausländerproblem« zugewendet beziehungsweise es als solches mit konstituiert, und zwar in den Parametern der Politik, des Arbeits- und Wohnungsmarkts und sukzessive weiterer gesellschaftlicher Teilbereiche. Einflussreiche Migrationsforscherinnen und -forscher wie der Soziologe Hartmut Esser fungierten als »Berater und Stichwortgeber der Politik« und lieferten anwendungsorientiertes Wissen für die staatliche Steuerung und Regulierung von Migration. In diesem Sinne ist Michael Bommes und Dietrich Thränhardt zuzustimmen, wenn sie Migrationsforschung als »rather a part of the complex of problems that it claims to describe and explain« beschreiben. Die neueren Debatten über Migration in den Geschichts-, Sozial- und Kulturwissenschaften zielen daher verstärkt auf eine kritische Reflexion des gegenwärtigen Verständnisses von und des Umgangs mit Migration ab und beziehen auch die eigene Wissensproduktion in diese Reflexion ein.
Ziele und Praktiken der internationalen Solidarität in Ost- und Westdeutschland im Kalten Krieg.
Seit den späten 1960er Jahren entstanden in vielen westlichen Ländern zivilgesellschaftliche Initiativen, die Teile der »Dritten Welt« unterstützten. Auch in der Bundesrepublik engagierten sich zahlreiche Solidaritätsgruppen für politisch Verfolgte in lateinamerikanischen Diktaturen, gegen die rassistische Ordnung in Südafrika oder für den Aufbau sozialistischer Reformprojekte in Nicaragua. In der DDR entstand dagegen eine staatlich initiierte internationale Solidarität. Sie leistete ebenfalls Hilfe vor Ort und basierte auf einer massenhaften Unterstützung. Mitunter entstanden auch hier unabhängige Aktionen.
In diesem Buch untersucht eine internationale Autorengruppe die Ziele und Praktiken der internationalen Solidarität in Ost- und Westdeutschland zur Zeit des Systemkonflikts. Die Solidarität fassen sie als grenzübergreifende Praxis im Kalten Krieg und betrachten besonders Lateinamerika und das südliche Afrika. Deutlich werden dabei vielfältige transnationale Kooperationen, die über den Menschenrechtsdiskurs hinaus reichten. Ebenso werden die Grenzen vieler Initiativen erkennbar, deren Scheitern und die damit verbundene Enttäuschung.
Die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP) bildet einen Meilenstein in der Entwicklung der Menschenrechte. Das gilt nicht nur für die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die Etablierung von indigenen Menschenrechten, sondern auch für das internationale Menschenrecht selbst. Denn die Entwicklung indigener Menschenrechte steht exemplarisch für die Vielfältigkeit und die Multiplizierung des Menschenrechts. Sie zeigt, dass Menschenrechte sich seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 weiterentwickeln, ausdifferenzieren und verändern können, ohne damit die Idee von Menschenrechten zwangsläufig zu unterminieren. Gleichzeitig zeigt sie in all ihren (teilweise nach wie vor bestehenden) Kontroversen, dass die Prozesse der Multiplizierung und Entwicklung von Menschenrechten weder bruchlos noch widerspruchsfrei verlaufen. Indigene Menschenrechte stehen mithin für die sensible Balance zwischen dem Festhalten an der Idee von Menschenrechten einerseits und der Notwendigkeit ihrer zeithistorischen Veränderung und Herausforderung andererseits.
In this issue
(2018)
Im Schatten der Geschichte. Die (vergessene) »Gewaltkommission« der Bundesregierung (1987–1990)
(2018)
Im Februar 2016 fand in der Alice Salomon Hochschule Berlin ein Symposion statt zum Thema »25 Jahre Gewaltprävention im vereinten Deutschland – Bestandsaufnahme und Perspektiven«, das von den Veranstaltern Stephan Voß und Erich Marks auf über 1.000 Seiten dokumentiert worden ist. Das Symposion hat gezeigt, dass der Gedanke der Gewaltprävention sich mittlerweile hochprofessionell auf zahllose Kontexte ausdifferenziert hat, in denen Menschen leben und handeln. »25 Jahre Gewaltprävention«, dieser Titel deutet auf den Januar 1990 hin, als der einstimmig verabschiedete Endbericht der »Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt« nach zweijähriger Arbeit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl übergeben wurde. Doch weder die fachliche Arbeit in der Kommission noch die Bereitschaft der politischen Akteure zur stärkeren Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei politischen Entscheidungen konnten verhindern, dass der eigentliche Anlass für die Einsetzung der Kommission in dem vorgelegten Bericht nur noch eine untergeordnete Rolle spielte. Durch die aktuelle politische Agenda des Jahres 1990 gerieten die Empfehlungen weitgehend aus dem Blick. Im Abstand von fast 30 Jahren lohnt es sich, den Kommissionsbericht als Quelle der bundesdeutschen Gewaltgeschichte und der Bemühungen um eine Verminderung von Gewalt zu lesen. Dies geschieht im Folgenden aus soziologischer Perspektive, jedoch in der Hoffnung, auch der Geschichtswissenschaft Impulse zur Beschäftigung mit solchen Dokumenten zu geben.
Hoffnung auf Erfolg. Akteurszentrierte Handlungskonzepte in der Migrations- und Flüchtlingsforschung
(2018)
Die Herausforderung besteht somit in einer reflektierten Verbindung von historischer Wissens- und Migrationsforschung.[37] Darin könnte die Chance liegen, die oftmals eindimensionale Wahrnehmung von Migrant/innen als Opfer restriktiver Grenzregime aufzubrechen, denn sie blockiert tendenziell eher Erkenntnismöglichkeiten, als dass sie neue eröffnet. Wenn ein Konzept wie Eigen-Sinn dazu beitragen würde, die verengten Perspektiven auf Migrationsregime zu erweitern, wäre das nur zu begrüßen. Allerdings spricht die bisherige Inanspruchnahme des Begriffes dafür, doch eher auf andere handlungstheoretische Konzepte wie die Analyse von individuellen und kollektiven Handlungsspielräumen zurückzugreifen oder einer an die Arbeiten von de Certeau angelehnten und auf globale Migrationsbewegungen zugeschriebenen »Rhetorik des Wanderns« zu folgen. Eines zeichnet sich indes jetzt schon ab: Ohne eine stärkere und theoretisch durchdachte Berücksichtigung akteurszentrierter Konzepte wird die Migrationsforschung zentrale Aspekte ihres Gegenstandes weiterhin nur oberflächlich erfassen können.
Heimat (english version)
(2018)
The concept of Heimat can be used in conjunction with many phenomena and sometimes seems to have a precise definition. The very vagueness of the concept bespeaks its emotional aspect, one that makes it rather appealing for a wide range of marketing and propaganda purposes. Heimat denotes a local identification that is not exclusive of other identifications, whether regional, national or transnational institutions, ideologies or religious communities. The Article will address the concept and its varied meanings and it will also examine the fundamental relationship between individuals with respect to their social and geographic spaces.
Ein Paradox prägt die Praxis kommerzieller Buchverlage: Alle wissen um die Unmöglichkeit, Bestseller zu planen und alle sind beständig mit dem Planen von Bestsellern beschäftigt. John B. Thompson, der in seiner Doppelrolle als Buchwissenschaftler und Verleger von Polity Press einen privilegierten Zugang zu den verschwiegenen Zirkeln der Verlagswelt hat, beschreibt den Umgang mit dem Paradox in »Merchants of Culture«, seiner 2010 erschienenen Untersuchung über den Buchhandel in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Thompson charakterisiert das Verlagswesen als eine »black swan industry«, in welcher der glückliche Zufall eine entscheidende Rolle spiele, »da bei vielen, wenn nicht allen Bücher niemand wirklich weiß, wie erfolgreich sie sein werden«. Den Verlegern bleibe bei so viel Unsicherheit nur die Entwicklung einer Strategie, um dem Zufall auf die Sprünge zu helfen.
Mit dem Jahr 2015 ist in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit eine Figur auf die politische Bühne zurückgekehrt, um die es lange Zeit still geworden war: die Figur des Flüchtlings. Dabei war das Problem von Flucht und Vertreibung vor 2015 global betrachtet mitnichten weniger drängend. Allerdings griffen bis zu den Entwicklungen, die hierzulande als »Flüchtlingskrise« thematisiert wurden, die über die Jahre immer weiter ausgebauten Grenzsicherungsmaßnahmen der Europäischen Union, sodass von den weltweit vielen Millionen an Flüchtlingen nur wenige Europa überhaupt erreichten. Seit Jahrzehnten hatte die EU die Kontrollen der Zuwanderungsbewegungen verschärft, sodass die Wege nach Europa immer schwieriger zu bewältigen waren und es bis heute sind – mit dem Resultat, dass das Mittelmeer mittlerweile zur tödlichsten Grenze der Welt geworden ist. Hinzu kommt noch, dass sich die meisten Flüchtlinge weit entfernt vom europäischen Kontinent im globalen Süden auf halten. Sie fliehen aus Kriegs- und Krisengebieten meist in die unmittelbaren Nachbarländer. Zur Weiterwanderung fehlen ihnen oftmals die Mittel.