»Auch in der Nazizeit war zwölfmal Spargelzeit«. Die Vielfalt der Bilder und der Primat der Rassenpolitik
- Banale Fragestellungen sollten nur dann nützlich
sein, wenn die Banalität des Festgestellten so banal
nicht ist. Das heißt: Wenn gesagt werden muß - und
das Zitat stammt aus einer Satire daß auch in der
Nazizeit zwölfmal Spargelzeit gewesen wäre, dann
gibt es zwei einander entgegengesetzte Gründe für
diesen Satz. Der erste wäre, daß es auch zwischen
1933 und 1945 ein ganz normales Leben gegeben habe,
das neben oder gar unabhängig von dem Verbrechen
stattfand, dem das Städtchen Auschwitz seinen
Namen geben mußte. Es gäbe danach in der Nazi-
Zeit ein Leben ohne Verbrechen und ein Leben mit
Verbrechen. Das erstere sei von dem letzteren zu trennen.
Der zweite, entgegengesetzte Grund für das Diktum
wäre der Hinweis, daß auch die Spargelzeit eine
andere war, wenn sie gleichzeitig mit dem Verbrechen
stattfand. Doch die Alternative wäre nicht mit
so starkem Engagement debattiert worden, versteckte
sich nicht die Frage nach der Schuld und damit nach
den Schuldigen hinter der Erörterung, ob es zwischen
1933 und 1945 ein Leben ohne Auschwitz gegeben
haben konnte. Die Kollektivschulddebatte der
Nachkriegsjahre führte, wie wir wissen, zu keinem
Abschluß, mit dem Buch von Daniel Goldhagen
steht sie wieder als Interpretationsraster zur Verfügung.