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Nimmt man Fritz Fischers Buch heute wieder zur Hand, so versteht man kaum die Aufregung, die es bei seinem Erscheinen ausgelöst hat. Minutiös und in gedrängter Form untersuchte der Hamburger Neuzeithistoriker auf fast 900 Seiten ebenso erschöpfend wie ermüdend die Kriegszielprogramme der zivilen und militärischen Reichsleitung sowie einflussreicher gesellschaftlicher Gruppen des deutschen Kaiserreichs während des Ersten Weltkriegs. (...)
Wiederveröffentlichung von: Klaus Große Kracht, „An das gute Gewissen der Deutschen ist eine Mine gelegt“. Fritz Fischer und die Kontinuitäten deutscher Geschichte in: Jürgen Danyel/Jan-Holger Kirsch/Martin Sabrow (Hrsg.), 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 66-70.
In wenigen Jahren ist ein breiter und differenzierter Markt für Geschichte entstanden, auf dem gelernte Historiker mit unterschiedlichen Studienwegen und Ausbildungsintensitäten sehr gute Chancen haben. Eine neuerdings boomende private Kulturwirtschaft braucht Kulturunternehmer, vom Organisator oder Mitwirkenden an ‚Living-History-Events’ über das Angebot von Recherche- oder Erzähldienstleistungen für Unternehmen bis zum Reiseleiter oder ‚Destinationsmanager’ im Kulturtourismus. Chancen haben vor allem breit ausgebildete Historiker, solche, die auch von Antike und Mittelalter eine Ahnung haben, und solche Historiker, die es verstehen, eine aktuelle Nachfrage zu bedienen oder gar neue Bedürfnisse zu wecken.
Dieser Text ist Teil der Buchpublikation: Wolfgang Hardtwig, Verlust der Geschichte – oder wie unterhaltsam ist die Vergangenheit?
Der erstmals 1942 und 1944 in stark erweiterter Form erschienene „Behemoth” Franz Leopold Neumanns bildete einen Höhepunkt der NS-Interpretation exilierter deutscher Wissenschaftler. Neumann, Jahrgang 1900, hatte in Frankfurt am Main bei Hugo Sinzheimer studiert, war 1928 nach Berlin gekommen, hatte dort eine Anwaltspraxis eröffnet und an der Deutschen Hochschule für Politik gelehrt. Er stand dem linken Flügel der SPD nahe, war ein unnachgiebiger Kritiker des Nationalsozialismus und wurde gleich nach dem 30. Januar 1933 verhaftet.
Das Konzept des Begriffs Angewandte Geschichte ist bislang noch nicht eindeutig bestimmt. Auch eine systematische Einordnung in das geisteswissenschaftliche Fächerspektrum ist im Grunde nicht zu erkennen. So dient er vor allem als „Sammelbezeichnung” für Phänomene des historischen Fachs, denen Anders- oder Neuartigkeit zugeschrieben wird. Bestehende Abgrenzungen zwischen den Anwendungsgebieten Angewandter Geschichte sind ebenfalls eher grobschlächtig, genauso wie institutionelle Differenzierungen.
Durch die theoretischen Einflüsse der Postcolonial Studies hat sich die Neuere Kolonialgeschichte insgesamt tiefgreifend gewandelt: Zunehmend wird von einer verflochtenen, reziproken Geschichte des Westens und des „globalen Südens” ausgegangen, ältere Perspektiven wie ein einseitiger Einfluss Europas oder eine verspätete Moderne des Südens treten in den Hintergrund. Nach einem Überblick über die wesentlichen theoretischen Ansätze geht Ulrike Lindner insbesondere auf neuere Forschungen zur deutschen Kolonialgeschichte ein, die verstärkt kulturgeschichtliche Aspekte einbeziehen, Verflechtungen zwischen Kolonien und Mutterland herausarbeiten und die Einflüsse von kolonialen Strukturen, Diskursen und Vorstellungen in der deutschen Gesellschaft aufzuzeigen versuchen.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Die klassische Begriffsgeschichte hat als Historische Semantik eine Renaissance erfahren. Kathrin Kollmeier widmet sich zunächst der lexikografischen Begriffsgeschichte, insbesondere den „Geschichtlichen Grundbegriffen“ und ihren theoretischen und methodischen Voraussetzungen. Ansätze hingegen, die unter dem Oberbegriff Historische Semantik firmieren, beschränken sich nicht mehr allein auf die Analyse der Historizität von Begriffen, sondern untersuchen den Bedeutungsgehalt und -wandel von Worten, Begriffen, Sprachen und Diskursen sowie kultureller Codes wie Bilder, Rituale, Habitus und Performativa. Zudem verweist der Artikel darauf, dass eine Historische Semantik des 20. Jahrhunderts sich sowohl dem semantischen Wandel im Zuge von politischen, sozialen und kulturellen Brüchen und Diskontinuitäten als auch den relativ stabil bleibenden Bedeutungen „langer Dauer” im gesamten 20. Jahrhundert widmen sollte.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)Zeit ist die grundlegendste Kategorie der Geschichtswissenschaft. Historikerinnen und Historiker untersuchen, so könnte man in erster Annäherung formulieren, Wandel in der Zeit; ohne Zeit bzw. eine bestimmte Konzeption von Zeit gäbe es keine Vorstellung von Geschichte und damit auch keine wissenschaftlichen Versuche, sie zu erfassen. Auch wer behauptet, nicht Wandel, sondern Zustände zu untersuchen, interessiert sich für diese als Bedingungen für Wandlungsprozesse.
Die Diskussionen um das Verhältnis von Geschichte und Öffentlichkeit in Deutschland werden zunehmend mit Bezug auf die englischsprachige Begriffsprägung Public History geführt. Im Kontext einer zunehmenden Praxisorientierung der Geisteswissenschaften, der Kommerzialisierung von Geschichtswissen sowie der vielfältigen Praktiken historischer Sinnbildung durch außeruniversitäre Akteure wird neben dem anzutreffenden Begriff des History Marketing auch immer häufiger der Begriff Angewandte Geschichte verwendet.
Der versäumte Abschied von der Volksgemeinschaft. Psychoanalyse und „Vergangenheitsbewältigung“
(2011)
Mit dem Essayband „Die Unfähigkeit zu trauern” legten Alexander und Margarete Mitscherlich 1967 einen Schlüsseltext für die „Bewältigung” der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik vor. Der von dem Ehepaar gemeinsam verfasste Titelessay, der ein knappes Viertel des Buches füllte, brachte den seit den späten 1950er-Jahren zunehmend diskutierten moralischen Skandal der „unbewältigten” NS-Vergangenheit auf den – psychoanalytischen – Begriff. Dass das Buch über weite Strecken schwer lesbar war und ist, stand der raschen Verbreitung zumindest seines eingängigen Titels nicht entgegen. (...)
Wiederveröffentlichung von: Tobias Freimüller, Der versäumte Abschied von der Volksgemeinschaft. Psychoanalyse und „Vergangenheitsbewältigung“, in: Jürgen Danyel/Jan-Holger Kirsch/Martin Sabrow (Hrsg.), 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 66-70.
Die Vorstellung, das Konzentrationslager sei eine das Dritte Reich definierende Institution gewesen, ist zu einem Gemeinplatz über die 1930er Jahre geworden. Dies gilt ebenso für die Annahme, dass die deutschen Lager brutalere Instrumente waren, um Geist und Körper ihrer menschlichen Fracht zu brechen, als jede andere Form der Internierung. 1940 veröffentlichte der ungarische Autor und Journalist Arthur Koestler einen Bericht über seine Erfahrungen als Kommunist und Jude in Le Vernet, einem französischen Konzentrationslager für feindliche Ausländer. Zu seinem Glück wurde Koestler aus dem nahe der spanischen Grenze gelegenen Lager entlassen, bevor die Deutschen eintrafen.