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Der versäumte Abschied von der Volksgemeinschaft. Psychoanalyse und „Vergangenheitsbewältigung“
(2011)
Mit dem Essayband „Die Unfähigkeit zu trauern” legten Alexander und Margarete Mitscherlich 1967 einen Schlüsseltext für die „Bewältigung” der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik vor. Der von dem Ehepaar gemeinsam verfasste Titelessay, der ein knappes Viertel des Buches füllte, brachte den seit den späten 1950er-Jahren zunehmend diskutierten moralischen Skandal der „unbewältigten” NS-Vergangenheit auf den – psychoanalytischen – Begriff. Dass das Buch über weite Strecken schwer lesbar war und ist, stand der raschen Verbreitung zumindest seines eingängigen Titels nicht entgegen. (...)
Wiederveröffentlichung von: Tobias Freimüller, Der versäumte Abschied von der Volksgemeinschaft. Psychoanalyse und „Vergangenheitsbewältigung“, in: Jürgen Danyel/Jan-Holger Kirsch/Martin Sabrow (Hrsg.), 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 66-70.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Die Konsumgeschichte ist ein relativ junges, seit den 1990er-Jahren stark expandierendes Forschungsfeld innerhalb der Zeitgeschichte. Wie Manuel Schramm in seinem Überblick deutlich macht, handelt es sich dabei um einen Paradigmenwechsel innerhalb der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, der in der Abwendung von einem produktionszentrierten Paradigma der älteren Sozial- und Gesellschaftsgeschichte zu sehen ist. Vielmehr geraten mit der Konsumgeschichte Prozesse der Kommerzialisierung, die Bedeutung von Märkten und auch individuelle Konsumbedürfnisse stärker in den Blick der zeithistorischen Forschung. Vor diesem Hintergrund plädiert der Autor dafür, dass mit der Konsumgeschichte auch wesentliche Kategorien der Gesellschaftsgeschichte wie soziale Ungleichheit und wirtschaftliches Wachstum neu überdacht werden müssen.
Geschlechtergeschichte
(2012)
Geschlecht, so die These des Beitrags von Kirsten Heinsohn und Claudia Kemper im Anschluss an die Forschung, ist keine geschlossene oder gar ausdiskutierte Kategorie. Vielmehr ist das, was unter Geschlecht verstanden wird, ein fortlaufender Aushandlungsprozess, der insbesondere im Hinblick auf seine strukturgebenden und situativen Bedeutungen zu historisieren ist. Die Autorinnen skizzieren das Forschungsfeld „Geschlechtergeschichte“, stellen zentrale theoretische Überlegungen vor und entwickeln schließlich Perspektiven für eine geschlechterhistorisch erweiterte Zeitgeschichte.
Wertewandel
(2012)
Wie haben sich Normen und Werte in modernen Industriegesellschaften verändert? Isabel Heinemann beschäftigt sich in ihrem Beitrag über den Begriff des „Wertewandels“ mit der Frage, welche Möglichkeiten für eine kritische Historisierung des ursprünglich sozialwissenschaftlichen Konzepts bestehen. Sie plädiert dafür, den Begriff aus seiner vorherrschenden Fixierung auf die 1960er- und 1970er-Jahre als vermeintlicher Kernphase des Wertewandels zu lösen, um durch den Vergleich von Phasen intensiven Wandels mit Perioden von größerer sozialer und normativer Kontinuität die Bedeutung und Reichweite von Wertewandelprozessen besser erschließen zu können.
Zwar begann mit der Diskussion um eine Kulturgeschichte der Politik kein völlig neues Zeitalter; auch davor gab es Untersuchungen, die ähnliche Fragen stellten und vergleichbare Erklärungshorizonte hatten. Die theoretische und methodische Diskussion der letzten zehn Jahre hat aber eine Schärfung des methodischen Arsenals und ein klareres Bewusstsein von Kontinuität und Bruch im Verhältnis zu den älteren Ansätzen der Politikgeschichte erzeugt. Kulturgeschichte der Politik kann sich heute, soweit sie sich als Methode versteht, als eine Alternative zu herkömmlichen Politikgeschichten präsentieren.
(Version 2.0, siehe auch Version 3.0)
Umweltgeschichte ist die Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur – auf diesen kurzen und allgemeinen Nenner lassen sich die verschiedenen, mehr oder weniger konkreten Definitionsversuche dieses historischen Teilbereichs bringen. Dabei wird beiden Seiten dieses Wechselverhältnisses, sowohl dem Menschen als auch der Natur, ein eigener Stellenwert eingeräumt, auch wenn sie als unauflöslich verschränkt gedacht werden.
Historischer Vergleich
(2012)
Hartmut Kaelble zeigt in seinem Beitrag für Docupedia, dass sich Methodik, Praxis und damit auch Vergleichsräume und Vergleichszeiträume des Historischen Vergleichs in den letzten Jahren stark verändert haben. Nachdem die theoretischen Diskussionen der 1990er-Jahre über den Historischen Vergleich als weitgehend abgeschlossen angesehen werden können, ist er heute ein fest etablierter, eigenständiger Teil der transnationalen Geschichte. Wissenschaftshistorisch hat er damit zur Herauslösung der Geschichtswissenschaft aus rein nationalgeschichtlichen Traditionen beigetragen.
Version 2.0: Theorie ist ein genuines Element des Forschungssettings wissenschaftlicher Erkenntnisarbeit. Der Begriff wird heute in verschiedenen, sich teils widersprechenden Definitionen verwendet. Mit dem jeweiligen Theorieverständnis verbunden sind Grundentscheidungen über Form und Anwendungspraxis wissenschaftlicher Methoden.
Die klassische Begriffsgeschichte hat als Historische Semantik eine Renaissance erfahren. Kathrin Kollmeier widmet sich zunächst der lexikografischen Begriffsgeschichte, insbesondere den „Geschichtlichen Grundbegriffen“ und ihren theoretischen und methodischen Voraussetzungen. Ansätze hingegen, die unter dem Oberbegriff Historische Semantik firmieren, beschränken sich nicht mehr allein auf die Analyse der Historizität von Begriffen, sondern untersuchen den Bedeutungsgehalt und -wandel von Worten, Begriffen, Sprachen und Diskursen sowie kultureller Codes wie Bilder, Rituale, Habitus und Performativa. Zudem verweist der Artikel darauf, dass eine Historische Semantik des 20. Jahrhunderts sich sowohl dem semantischen Wandel im Zuge von politischen, sozialen und kulturellen Brüchen und Diskontinuitäten als auch den relativ stabil bleibenden Bedeutungen „langer Dauer” im gesamten 20. Jahrhundert widmen sollte.
Historische Anthropologie
(2012)
Die Historische Anthropologie untersucht aus einer interdisziplinären Perspektive die Historizität des Menschen, indem sie nicht nach einem unveränderlichen „Wesen”, sondern nach historisch variablen Wissensformen fragt. Der Beitrag von Jakob Tanner zeigt, wie die Annäherung von Geschichte und Anthropologie seit den 1960er-Jahren die Voraussetzungen schuf, um die Geschichtlichkeit der Menschen auf neue Weise zu denken. Anschließend werden die wichtigsten theoretischen Annahmen der Historischen Anthropologie vorgestellt, wobei die vielfältigen Repräsentationen von Menschen, der Wandel sozialer Praktiken sowie Kulturtechniken und die sich wandelnden Vorstellungen von der „Natur” des Menschen zentrale Bezugspunkte der Analyse darstellen.