Arbeiter und Demokratiegründung in Westdeutschland nach 1945. Das Beispiel der kommunistischen Bewegung
- Mit dem „rheinischen“ Kapitalismus ist in den vergangenen Jahren auch das bundesdeutsche Modell der Sozialpartnerschaft in die Krise geraten. Dies wirft neue Fragen nach seiner Entstehung als eines westeuropäischen Sonderfalls auf. Ein wichtiges, bisher jedoch wenig beachtetes Problem bestand in der ideellen und institutionellen Einbindung der Industriearbeiter, die der neuen bundesdeutschen Ordnung zunächst vielfach distanziert gegenüberstanden. Anhand einer Fallstudie zur kommunistischen Bewegung im Ruhrgebiet beleuchtet der Aufsatz den mentalen und habituellen Wandel der Arbeiterschaft nach 1945 sowie die institutionellen Konsequenzen dieses Wandels. Die deutsch-deutsche Systemkonkurrenz mit dem „Arbeiterstaat“ DDR hatte dabei besondere Bedeutung. Die „nationale“ Deutschlandpolitik der DDR zerstörte einerseits ungewollt das kommunistische Betriebsmilieu und förderte den Niedergang direkten, autonomen Betriebshandelns. Andererseits verstärkte die kommunistische Herausforderung Bemühungen um eine positive Einbindung der Arbeiterschaft durch Gewerkschaften, Industrie und Staat. Angesichts einer tiefsitzenden Skepsis gegenüber der politischen Reife der Arbeiter und in Abwehr der SED-Politik erneuerte sich die gewerkschaftliche Arbeit; sie verstand sich zunehmend als institutionalisierte Konfliktbewältigung durch professionelle Verbändepolitik. Infolgedessen waren die westdeutschen Gewerkschaften nicht länger Weltanschauungsgemeinschaften.
- In recent years, the German model of ‘social partnership’ (Sozialpartnerschaft) has come under criticism. It is therefore now appropriate to reexamine the development of this social model following the Second World War. A central but hitherto neglected aspect of the early Federal Republic was the ideological and institutional integration of the industrial working classes. This article presents a case study of the communist movement in the Ruhr region, and describes the transformation of the mentality and habitus of industrial workers after 1945 as well as the institutional consequences of these changes. Confrontation between the two German states during the Cold War considerably influenced the political, social and economic integration of industrial workers. On the one hand, efforts made by the East German state to create a ‘national resistance’ movement in opposition to the Adenauer government inadvertently thwarted communist successes on the shop-floor level and furthered the decline of autonomous shop-floor radicalism. On the other hand, they gave succour to efforts made by trade unions, employers and the state to positively integrate the working classes into the new social order. Since the trade union leadership doubted the political reliability of post-fascist workers and rejected the propaganda campaigns of the Socialist Unity Party (SED), it turned to institutionalised bargaining far removed from the shop-floor level. This marked the end of West German trade unions as close-knit ideological communities.